Haus vor Räumung : Früh auf für umsonst
Die Stadt war noch im Halbschlaf, als sich vor dem Umsonstladen in der Brunnenstraße 183 am Mittwochmorgen um acht Uhr schon zwei Dutzend Menschen versammelt hatten. Die Bewohner des Hauses reichten Kaffee (natürlich für umsonst), Lokalpolitiker von SPD und Grünen hatten sich unter das Volk gemischt. Drei Polizisten unterhielten sich am Straßenrand. Eigentlich ein gemütliches Stelldichein mitten in Berlin. Doch sie alle warteten an diesem Morgen auf den ersten Räumungstrupp und damit auf den Anfang vom Ende ihres Hausprojektes.
Der neue Eigentümer Manfred Kronawitter hatte die Räumung angekündigt. Der Passauer Arzt möchte den vierstöckigen Altbau in der Brunnenstraße in Mitte seniorengerecht umbauen und sanieren. Seit 1990 ist das Haus allerdings besetzt, und mittlerweile haben hier rund 25 Menschen ihr Zuhause gefunden. In dem Bau befindet sich auch der Umsonstladen, in dem bewusst auf Geld verzichtet und nur getauscht wird.
Schon öfter mussten die Bewohner um die Zukunft ihres Hauses bangen. Die Verständigung zwischen Kronawitter, der das Haus im Januar erworben hat, und den alten Mietern gestaltete sich jedes Mal schwierig. Auch diesmal informierte Kronawitter die Polizei über die Aktion, die Bewohner allerdings nicht. Erst durch eine E-Mail der beauftragten Firma am Dienstagnachmittag erfuhren sie davon.
Am gestrigen Morgen nun rückte statt einer Räumungsmannschaft ein Berliner Müllentsorgungsunternehmen an, das lediglich die öffentlich zugänglichen Flächen freimachen sollte. Da standen sie nun aufgereiht: Hausbewohner, Freunde, Polizei und Müllmänner in blauer Montur. Alle waren etwas ratlos, die Bewohner in Alarmbereitschaft. Mit dabei auch Markus Pauzenberger (SPD) und Frank Bertermann (Grüne), die sich schon früher für den Umsonstladen ausgesprochen hatten. Selbst Klaus Wowereit hatte den Laden im Wahlkampf besucht und moralische Unterstützung zugesichert.
Kronawitter selbst ließ sich am gestrigen Morgen nicht blicken, und so einigten sich Entsorgungsunternehmen und die Hausbewohner darauf, dass nur von den Bewohnern als Müll gekennzeichnete Dinge entsorgt würden. Ins Haus durften die Müllmänner nicht. Man habe befürchtet, dass „die Wohnungen ausgeräumt werden“, so der Sprecher der Bewohner. Doch das Unternehmen kooperierte sogar: „Wir demontieren hier nichts.“ Man wolle den Auftrag, den Hof zu räumen, nur so gut wie möglich ausführen, so ein Angestellter. Die Polizei sicherte die Abräumarbeiten.
Die Bewohner fürchten aber weitere Nadelstiche durch den Eigentümer. Sie wollen „einfach nur hier wohnen bleiben“. Man rechne mit noch mehr unangekündigten Aktionen sowie Räumungsklagen. Dagegen wollen auch SPD und Grüne in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ein Zeichen setzen. Per Beschluss hatten sie bereits das Bezirksamt ersucht, sich für den Erhalt des Hausprojektes einzusetzen.
Wird das Projekt nun zur Arena für einen Kampf zwischen den Parteien? Denn auch Kronawitter weiß Politiker hinter sich. Die Kanzlei von Ingo Schmitt, dem Landesvorsitzenden der CDU Berlin, und Stefan Häntsch, einem BVV-Mitglied für die CDU in Charlottenburg-Wilmersdorf, vertritt ihn im Fall Brunnenstraße. Die Wahl ist zwar vorüber, das Kopf-an-Kopf-Rennen der Parteien jedoch nicht. Wer gewinnt, wird sich frühestens im Oktober zeigen. Dann soll das Thema Hausprojekt in der BVV Mitte zur Sprache kommen. Dies kündigten jedenfalls SPD und Grüne an. Elisabeth Rank