Hauen und Stechen bei den Grünen: Das grüne Listen-Lotto
Die Landesdelegierten-Konferenz der niedersächsischen Grünen stellt die Liste für die Landtagswahl 2013 auf. 72 KandidatInnen suchen ihr Glück - mindestens
BREMEN taz | Die grünen Glückszahlen des Wochenendes lauten 8, 11, 22, 17 und 13. Es handelt sich um Prozentzahlen, und nicht die Lottofee wird sie ziehen, sondern sie sind längst erhoben. Die erste von Niedersachsens Landeswahlleiter, die übrigen von den Meinungsforschungsinstituten. Und die Fieberkurve der Grünen-Umfrage-Ergebnisse seit 2008 steckt den Rahmen ab für die Fantasien des Landesparteitags am Wochenende in Wolfsburg. Denn die Landesdelegierten-Konferenz, so heißen die Parteitage bei Bündnis 90/Die Grünen, bestimmt, wer 2013 für den Landtag kandidiert. Und auf welchem Listenplatz.
Zwölf plus x aus 72
Bisher liegen 72 Bewerbungen vor, 43 von Männern und 29 von Frauen. Und Spontankandidaturen sind nicht auszuschließen: Irgendwie scheint sich doch das Fukushima-Allzeithoch in den Köpfen festgesetzt zu haben. Denn derzeit bilden nur zwölf Menschen die Grünenfraktion im niedersächsischen Landtag.
Nur drei der bisherigen Abgeordneten wollen gar nicht erneut antreten – der Haushaltspolitiker Hans-Jürgen Klein, die Sozialpolitikerin Ursula Helmbold und Enno Hagenah. Der, so munkelt man, soll für den ewigen Wirtschafts- und Umweltdezernenten Hans Mönninghoff in Hannovers Stadtspitze rotieren.
Die Liste ist streng geschlechterquotiert. Und, das verleiht dem Ganzen noch mehr den Charakter eines raffinierten Gesellschaftsspiels, jedeR dritte muss neu sein im Landtag. Als dritter Faktor kommt das Themenportfolio hinzu. Und schließlich noch ein gewisser, allerdings nicht in der Satzung verankerter Regionalproporz sowie die sich momentan neu an den Polen Wachstumsverzicht versus Green-Economy ordnenden Parteiflügel, die man früher als Realos und Fundis bezeichnet hat.
Das große Zittern
Folge: Zwar ist Parteichefin Anja Piel Platz eins kaum zu nehmen. Und gegen Fraktionschef Stefan Wenzel, dessen Bekanntheitswerte für einen grünen Oppositionspolitiker exzellent sind, hätte ohnehin keiner eine Chance. Aber danach – fängt das große Zittern an: Auf die Rede kommt es an. Die darf nicht zu kurz sein, aber extrem uncool ist es auch, die vollen zehn Minuten auszuschöpfen, die allen laut Bundesverfassungsgericht zustehen. Also wirklich extrem uncool.
Vermutlich kommt’s bereits bei Platz drei zur ersten Kampfabstimmung: Dort zeichnet sich ein Duell der Vize-Vorsitzenden Gabriele Heinen-Kljajic und Miriam Staudte ab – mit offenem Ausgang. Da hänge viel von der Tagesform ab, ist zu hören. Beide kommen nicht aus den mitgliederstärksten Gebieten – vom nördlichen und vom südlichen Rand des Landes – und die eine stammt aus Holstein, die andere aus der Eifel. Und beide haben nicht die knalligsten Themen: Staudte ist Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik, wo der Kita-Ausbau in Niedersachsens schwer auf den Nägeln brennt. Heinen-Kljajic kümmert sich um Hochschulen und Kultur, konnte aber im Asse-Untersuchungsausschuss punkten.
Das Zusammenspiel aus Offenheit und Quotierung verleiht grünen Delegiertenkonferenzen einen mitunter sado-masochistischen Reiz. Denn Unterlegene dürfen auf den folgenden für ihr Geschlecht offenen Plätzen antreten – bis ganz unten.
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