: Hartnäckiges Tauziehen um Zwei-plus-Vier-Dokument
Bonn (dpa) - Ein dramatisches Tauziehen um Milliarden und diplomatische Formeln hat bis zum Freitagnachmittag einen schnellen Abschluß der Verhandlungen über das Schlußdokument der außenpolitischen Unabhängigkeit Deutschlands verhindert. Entgegen dem anfänglich in Bonn verbreiteten Zweckoptimismus wird nun gestreut, die politischen Direktoren aus den Außenministerien der sechs Länder werden wahrscheinlich noch das Wochenende durcharbeiten müssen.
Eine wichtige Voraussetzung ist die Einigung zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und UdSSR-Präsident Michail Gorbatschow über die Finanzierung der sowjetischen Truppen in Deutschland. Der „Überleitungsvertrag“ ist zwar fertig, doch bei den zweistelligen Milliardenforderungen der Sowjets wurde der endgültige Abschluß zur Chefsache deklariert. Ein Telefongespräch Kohls mit Moskau am Freitag hat offenbar weder eine Teilnahme Gorbatschows an den Vereinigungsfeiern am 3. Oktober noch im Finanzproblem einen Durchbruch erbracht. Regierungssprecher Klein kündigte ein weiteres Telefonat für Anfang nächster Woche an.
Dann jedoch drängt die Zeit, denn am 12. September wollen in Moskau die beiden deutschen Staaten und die Außenminister der vier Weltkriegssiegermächte unterzeichnen. Daß es dazu kommen wird, hat am Freitag Bundesaußenminister Genscher erneut bekräftigt. Er rechne fest mit dem Abschluß. Daß eine völkerrechtliche Souveränität erst nach Abschluß der Ratifikationen Anfang 1991 eintreten kann, sei nicht entscheidend. Wichtig sei, so Genscher in einem Interview mit dem Bonner 'General-Anzeiger‘, daß das vereinigte Deutschland nicht mit offenen Fragen belastet werde. Übergangsregelungen seien danach von geringer Bedeutung.
Wesentliche Voraussetzung für die Unterzeichnung in Moskau ist aber auch Inhalt und Form einer Unterrichtung der UdSSR zu dem parallel verhandelten „Vertrag über den befristeten Aufenthalt und den planmäßigen Abzug“ der Sowjetstreitkräfte. Die komplizierte Überschrift deutet auf die schwierige Materie hin. Der Vertrag wird noch Wochen benötigen, muß aber in unabänderlichen und zufriedenstellenden Eckdaten den Sowjets vor dem 12. September notifiziert werden. Auch darin scheint ein wesentliches Problem für den Abschluß der Zwei-plus-Vier -Arbeiten im Berliner Schloß Niederschönhausen zu liegen.
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