Hannes Koch über die Kritiker des Handelsabkommens Mercosur: Ethisch, aber auch realistisch?
Als der rechte Präsident Jair Bolsonaro Brasilien regierte, lehnten sie das Handelsabkommen ab: Der Vertrag zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Mercosur unterstütze die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes, kritisierten die Umweltorganisation Greenpeace und das katholische Hilfswerk Misereor. Nun amtiert der Linke Ignácio Lula da Silva – und der geplante Vertrag mit den Staaten Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay ist aus anderen Gründen „vergiftet“. Anscheinend haben die Kritiker:innen grundsätzlich etwas gegen Handelsabkommen.
Das bestreiten sie. Allerdings legen sie so hohe Maßstäbe an, dass es damit in der realen Welt keinen Handel gäbe. Während Wirtschaftsminister Robert Habeck und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (beide Grüne) aktuell in Südamerika versuchen, den ausgehandelten, aber noch nicht ratifizierten Vertrag flottzumachen, bemängeln die Kritiker:innen, Indigene seien nicht ausreichend an den Verhandlungen beteiligt worden, Konzerne würden profitieren, die „Ausbeutung natürlicher Ressourcen“ und „postkoloniale Strukturen“ zementiert. Machte eine Regierung derart weitreichende Kriterien zur Basis von Verhandlungen, wären Handelsabkommen ausgeschlossen. Nicht nur der Mercosur-Vertrag. Ähnliche Argumente bringen etwa die Globalisierungskritiker von Attac, die Gewerkschaft Verdi und der Umweltverband BUND gegen das Ceta-Abkommen zwischen der EU und Kanada vor. Für TTIP mit den USA galt dasselbe.
Währenddessen hat China seinen Einfluss ausgebaut, indem es das Freihandelsabkommen RCEP mit 15 Staaten, darunter Australien, Japan und Neuseeland, abschloss. Und russische Wagner-Söldner machen sich in Afrika breit.
Handelsabkommen sollten ethischen Grundsätzen gehorchen. Sie müssen aber auch realistisch sein und die veränderte Geopolitik berücksichtigen. Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung ihre Verbindungen zu Staaten intensiviert, die ähnliche Interessen verfolgen und mit denen man reden kann, auch ökonomisch.
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