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Archiv-Artikel

HERMANN-JOSEF TENHAGEN HAUSHALTSGELD Im Prinzip hat der Reisende recht

DAS NEUE FAHRGASTRECHT RÄUMT DEN REISENDEN EINE MENGE REGRESSANSPRÜCHE EIN. IM GEGENZUG HAT SICH DIE BAHN AG EIN PAAR HÜBSCHE KLAUSELN ÜBERLEGT

Samstagnachmittag am Berliner Hauptbahnhof: Gleis 13 ist gesperrt. Ein freundlicher Polizeibeamte empfiehlt, auf den benachbarten Bahnsteig auszuweichen, um dort den umgeleiteten ICE ins Rheinland zu nehmen.

Von dort bietet sich ein erstaunliches Schauspiel: Ein Kamerateam vom RBB filmt ein herrenloses Gepäckstück am Gleis 13. Mehrere Polizeibeamte laufen aufgeregt hin und her. Schließlich nähert sich ein bulliger Beamter mit einem kleinen Hund dem schwarzen Ding. Der Hund schnüffelt rund um das Paket, schließlich hat er seine Nase dran – Entwarnung. Eine harmlose vergessene Tasche.

Mein Zug ins Rheinland startet schließlich mit 20 Minuten Verspätung. Müsste ich in Wolfsburg den Anschlusszug nach Braunschweig erreichen, würde ich ihn verpassen. Aber wenigstens einen Teil des Fahrpreises soll ich doch zurückerhalten, wenn der Zug zu spät kommt. Oder?

Im Prinzip schon. Das neue Gesetz über Fahrgastrechte gibt mir bei größeren Verspätungen einen Anspruch auf Entschädigung, notfalls kann ich mir spätnachts ein Taxi auf Kosten der Bahn nehmen, wenn der Anschluss weg ist. 25 Prozent des Fahrpreises kriegt zurück, wer mehr als eine Stunde zu spät ankommt. Werden es zwei Stunden, ist schon die Hälfte des Fahrpreises fällig.

Entscheidend aber ist die Ankunftszeit am Ziel. Kommt etwa mein ICE zu spät in Bielefeld an, verpasse ich den Anschluss nach Halle/Westfalen und komme über eine Stunde zu spät dort an, muss die Bahn zahlen. Übrigens sogar, wenn ich einen Teil der Strecke nicht mit der Deutsche Bahn, sondern mit einem anderen Bahnunternehmen unterwegs war.

In die Röhre schauen aber Inhaber eines Monatstickets. Für sie ist es fast unmöglich, Rückzahlungen zu bekommen. Wer mit der Verkehrsverbunds-Monatsmarke ständig große Verspätungen erlebt, kann den Betreiber nicht in Anspruch nehmen. Wer etwa eine Dauerkarte für die Strecke Berlin–Wolfsburg hat, soll nach den Plänen der Bahn pro Verspätung pauschal 1,50 Euro zurückbekommen. Da die Bahn aber weniger als 4 Euro gar nicht auszahlt, muss der Zug dreimal im Monat ordentlich zu spät kommen, damit der Pendler Geld sieht.

An jenem Bomben-Sonntag aber hätte ein anderer Hinderungsgrund gegolten. Die Bahn muss nämlich auch nicht zahlen, wenn höhere Gewalt die Verspätung verursacht. Unter diesen Begriff fällt für die Bahn, wenn ein Böschungsbrand oder ein Schneesturm den Zug aufhält. Aber auch wenn sich ein Selbstmörder auf die Gleise wirft oder das Gleis wegen eines falschen Bombenalarms gesperrt wird.

Weil die in Hannover zugestiegenen Fahrgäste in meinem ICE das aber gar nicht wissen konnten – niemand hat mehr etwas vom falschen Bombenalarm gesagt –, sollte man bei entsprechender Verspätung immer eine Entschädigung beantragen. Die Bahn darf dann nachweisen, dass tatsächlich höhere Gewalt im Spiel war. Und so häufig ist ein Bombenalarm ja Gott sei Dank nicht.

■ Der Autor ist Chefredakteur von Finanztest und taz-Aufsichtsrat Foto: Karsten Thielker