HERMANN JOSEF TENHAGEN HAUSHALTSGELD : Coole Idee. Und wie weiter?
Charmant: Der Fußballstar Eric Cantona will, dass Millionen Bankkunden gleichzeitig ihr Konto leer räumen. Die Frage ist nur, woher am nächsten Monatsersten Gehalt, Rente oder Stipendium kommen
Ich war verblüfft. Die Kollegin von der Redaktion der sonntaz mailte mir die Geschichte eines ehemaligen französischen Fußballstars, der die Verhältnisse zum Tanzen bringen will. Statt zu demonstrieren, sollten die Menschen am kommenden Dienstag einfach ihre Bank aufsuchen, ihr Erspartes abheben und so das System zum Zusammenbruch bringen. Cantona? Der Name ist für mich nur Schall und Rauch.
„Eric Cantona, natürlich kenn ich den“, sagt Heinz, mein Chef vom Dienst und Fan des MSV Duisburg. Auf dem Weg zum Mittagessen erzähle ich ihm von der Idee des Fußballstars: Wenn zwanzig Millionen Kunden gleichzeitig ihr Geld abheben, so Cantonas Idee, bricht das Bankensystem zusammen. „Revolution ganz unblutig und ganz ohne Waffen“, frotzelt der ehemalige Stürmer von Manchester United auf YouTube. Seine Fans bei ManU haben ihn zum besten Spieler des 20. Jahrhunderts gewählt.
Schnell sind Heinz und ich uns einig: die Idee, die Banken, die uns die aktuelle Finanzkrise eingebrockt haben, mit ihren eigenen Mitteln in die Knie zwingen, ist faszinierend. Wenn am 7. Dezember tatsächlich einige zehntausend Kunden in Europa ihr Geld abheben, entdecken sie gleichzeitig ihre Macht als Kunden gegenüber dem vermeintlich unschlagbaren Bankensystem.
Aber halt! Was ist denn das nächste Ziel dieser Revolution? Uns befällt professioneller Zweifel. Natürlich können Kunden ihre wirtschaftliche Macht nutzen, um Anbieter aus dem Markt zu werfen. Genau das ist die Idee von Markt – und schon der alte Adam Smith hat stets betont, der Markt sei nicht für die Anbieter da, sondern für die Kunden. Die sollten so preiswert wie möglich die besten Produkte und Dienstleistungen bekommen. Dass auf dem Markt hin und wieder Anbieter pleite gehen, fand schon Smith völlig in Ordnung.
Hin und wieder einer, ja. Aber doch nicht alle gleichzeitig. Das Beunruhigende an der Kampagne ist, dass Cantona und seine Mitstreiter die Systemfrage stellen, aber nicht wissen, was danach kommen soll. Wer die Aufgaben der Banken übernimmt. Nur ein praktisches Beispiel: Wie zahlt mein Arbeitgeber dann das Gehalt? Wenn er nicht mehr überweisen kann und es bar auszahlen will, woher bekommt er dann das ganze Bargeld?
Gilt es also, unsere Banken vor Cantona und Seinesgleichen zu retten? Unsere Lieblingsbank als Dienstleister ganz sicher, nicht aber die Masters of the Universe, die glauben, dass wir als Souverän und Steuerzahler ihre Existenz fraglos garantieren und auch in Zukunft nach ihrer Pfeife tanzen.
Es lohnt sich, Cantonas Kampagne an dieser Stelle ernst zu nehmen. Auch wenn nur einige tausend Leute abheben. Auf einem funktionierenden Markt haben die Kunden das Sagen, und die Finanzdienstleister haben zu leisten. Wer nicht leistet, hat seine Existenzberechtigung verloren. Wer aber seinen Job macht, den lieben die Kunden und wollen ihn nicht missen. Insofern also Entwarnung für Ihre Lieblingsbank: Dort kann es gar nicht schiefgehen, ihr Institut – so heißt das bei Bankiers – hat immer schon in langfristige Kundenbeziehungen investiert. Nicht wahr?
■ Der Autor ist Chefredakteur von „Finanztest“ Foto: Karsten Thielker