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Archiv-Artikel

HASSKAMPAGNE, MORDDROHUNG UND WAS MAN SONST NOCH VERRÜCKTES MIT WÖRTERN MACHEN KANN Laterne, Laterne …

DORIS AKRAP

Mit Laternen ist es wie mit Wörtern. Man kann mit ihnen einiges machen. Auch Verrücktes. Früher riss man sie aus dem Straßenpflaster raus, zwecks des Barrikadenbaus. Heute pinkelt man gegen sie, klebt Wohnungsgesuche und Fotos von entlaufenen Haustieren dran, platziert Werbung für Gebrauchthandyläden, Kaugummis und Turnschuhe.

Laternen sollen ansonsten die Straße erleuchten, damit man sich des Nachts besser zurechtfindet. Auch Wörter sollen beleuchten, in der Regel Gedanken, damit man sich in ihnen besser zurechtfindet. An diesem Wochenende hätte man besser ein paar Turnschuhe auf Laternen geworfen, statt anderen Leuten dabei zuzugucken, wie sie mit Wörtern um sich werfen und so lange an ihre Laternen pinkeln, bis alle Lichter ausgehen.

Am munteren Wortewerfen beteiligt war ein linker Pfarrer: „#Feminismus ist etwas für Unterprivilegierte. ‚Adel ist was für die Laterne‘, Ça irá, #BachmannPreis, ça irá, von Rönne!“ Beteiligt war der FAZ-Blogger Don Alphonso, der diesen Tweet, der das französische Revolutionslied „Ça irá“ paraphrasiert, als „Morddrohung“ bezeichnete. Da war Ronja von Rönne, nominiert für den Bachmannpreis und Autorin eines Textes in der WamS, in dem sie ihren „Ekel“ vor jenen Feministinnen kundtat, die sich um „Unterprivilegierte“ statt um sich selbst sorgten. Als Auslöser für die „Morddrohung“ machte Don Alphonso die „Netzfeministinnen“ und deren „Methoden totalitärer Regime“ verantwortlich. Die „Netzfeministinnen“ hatten zuvor getwittert, dass der „Ring rechter Frauen“ die Texte Rönnes „empfehlen“ würde, und die Jurynominierung als Teil einer Diffamierungskampagne gegen den Feminismus gewertet.

Und dann waren da die Worte des Welt-Ressortleiters, der erklärte, dass Worte Wirkung haben. Die Worte der Feministinnen seien eine „Hasskampagne“, die Worte von Rönnes hingegen Teil eines „Experiments“ seines Feuilletons, das mit Worten „verrückte Dinge“ mache und Gedanken hervorrufe, die Leser noch nicht gehabt hätten.

Nur eine irrlichternde Posse aus der Welt der täglich ums Flutlicht kämpfenden Journalisten? Sicher. Aber da war das Wort von der „Gesinnungspolizei“. Und die ist schlimmer als Hitler, Mundgeruch und Prenzlbergeltern zusammen. Also muss man sich sorgen und und geht lieber nicht Schuhe auf Laternen werfen. Am Ende dieses wilden Wortgeballers aber konnte man nur erkennen, dass es sich mit der Anklage „Gesinnungspolizei“ und „Hasskampagne“ so verhält wie mit dem Vorwurf der Ideologie: Ideologie haben immer nur die anderen. Man selbst hat oder macht Kritik. Oder verrückte Dinge mit Wörtern.

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Mittwoch

Anja Maier

Zumutung

Donnerstag

Margarete Stokowski

Luft und Liebe

Freitag

Anne Fromm

Funk und Fernsehen

Montag

Ingo Arzt

Millionär

Dienstag

Sonja Vogel

German Angst

Die Fifa hatte auf ihrer Hauptversamlung wenigstens eingestanden, dass die Bombendrohung ein Fake war. Ob es sich im Fall Rönne wirklich um eine „Morddrohung“ gehandelt hat? Egal. Das Wort auszusprechen war sicher eines dieser verrückten Experimente. Daraus waren neue Gedanken entstanden: dass Feministinnen mörderische Wirkung entfalten können. Oder gibt es etwa Leute, die sich das immer schon irgendwie gedacht haben? Eben.