HAMBURGER SZENE VON ROGER REPPLINGER : Das innere Leibchen
Es gibt einen Tag, da kicken in der großen Halle bei „Sportspaß“ am Berliner Tor die Vier- und Fünfjährigen. In der Halle sitzen Mama und Papa an der Wand und zwei Trainer, die ein bisschen was erklären, und alle – Mädchen und Jungs – laufen hinter dem Ball her.
Vorher muss die Kleiderfrage entschieden werden: Im Umkleideraum sitzt ein kleiner Schwarzhaariger und ist nörgelig. Hat schwarze Strümpfe an mit gelben Ringen, schwarze Hosen mit gelben Streifen und ein gelbes Hemd. Sponsor stimmt auch. Klare Sache: amtierender deutscher Meister.
Aber da liegt noch ein blaues Trikot, auf dem „Italia“ steht, schönes Blau, wahrscheinlich kann der Kleine noch nicht lesen, egal: Er möchte das Blaue, nicht das Gelbe. Passt aber nicht zur Hose und den Strümpfen, der Papa ist also für Gelb: „Willst du wirklich das Blaue?“ Der Sohn nickt. Der Vater will nicht. Der Sohn vergießt Tränen. Das wirkt: Er kriegt das blaue, das Gelbe wandert in den Spind.
Als ich wenig später an der Halle vorbei komme, sehe ich durchs Fenster die Mannschaft des kleinen Schwarzhaarigen: im gelben Leibchen, zur besseren Unterscheidung.
Also doch Gelb. Aber es kommt nicht drauf an, was die anderen sehen, sondern wie man sein Trikot fühlt. Und der kleine Schwarzhaarige, er fühlt heute blau.