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Archiv-Artikel

HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGER Kein Haus in Napoli

„Gerade habe ich noch zu meiner Frau gesagt, als wir Sie durchs Fenster gesehen haben: Ist kein Stück älter geworden.“ Der beschwipste Mann im Leinenanzug hält seine Gattin im Arm, und dem Portier, eben noch ins Gespräch vertieft, schimmert der Haaransatz braun gefärbt. „An uns alle nagt der Zahn der Zeit“, sagt er betont charmant mit italienischem Akzent. „An Ihnen nicht! Hab ich gerade noch zu meiner Frau gesagt“, wiederholt der Gast, und seine Gattin lächelt, selig und vielleicht ein bisschen unbeteiligt: Was soll’s, hier im Hotel an der Alster gibt es ja mehrere Fahrstühle, da muss man den nicht beachten, den man gerade verpasst.

Die beiden gehen, und der Portier dreht sich zu seiner Gesprächspartnerin zurück. „Hast du das gehört?“, fragt er auf Italienisch, bevor er, aus fehlender Übung vielleicht, ins Deutsche zurückfällt: „Für sowas mache ich diesen Job hier!“ Stolz streckt er sich zur vollen Größe aus. „Nicht fürs Geld. Das Geld hier, das ist mager, und ich bin Italiener, ich bitte um nichts! Wenn sie mir nichts anbieten – ich habe auch meinen Stolz. Aber mein Ex-Chef sagte immer, er sagte: ‚Siehst du, für so etwas machen wir diesen Job hier, für die Menschen.‘ Die Menschen!‘“

Manchmal, gibt er zu, hat er die Nase aber auch ziemlich voll. Dann will er sie alle hinter sich lassen, sich einfach in sein Auto setzen und nach Napoli fahren, wo sein mickriges Gehalt es ihm nicht ermöglicht hat, auch nur das klitzekleinste Häuschen zu kaufen. Im Gehen nickt er seiner Gesprächspartnerin noch einmal zu, bevor er sich in sein Auto setzt und nach Hause fährt. Auf die andere Seite der Elbe.