HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGER : Beim Tierarzt
Es ist keine freudige Gelegenheit. Auf dem Fußboden liegt ein Tier, es hat Beruhigungsmittel bekommen, damit es die Tierärztin nicht beißt, und an Beißen ist nun tatsächlich nicht mehr zu denken.
Es war der letzte Patient, die zwei Tierarzthelferinnen scharen sich um das Tier, das den Kaffee nötiger hätte als die Besitzer, die ihn sich geholt haben. Der praxiseigene Chihuahua ist auch da, er trägt ein wollenes Regenmäntelchen, es ist multifunktional, aber für diese Gelegenheit doch sicherlich übertrieben, sagt die eine Tierarzthelferin zur anderen, der der Chihuahua gehört, da werde es dem Hund doch viel zu heiß.
Die Tierärztin fängt verschmitzt an, Hundebekleidungsgegenstände aus dem Regal zu ziehen. „Sehen Sie sich DAS mal an“, sagt sie verschwörerisch zum kaffeetrinkenden Patientenbesitzer, „Prinzesschen steht hier drauf! Und hier!“, frohlockt sie weiter: „Das gibt’s sogar mit St.-Pauli-Aufdruck“ – wobei der Hund, der klein genug ist, das braun-weiß gestreifte Trikot zu tragen, auf dem Spiel sicherlich totgetreten würde.
Die Tierarzthelferin, der der regenmanteltragende Hund gehört, sagt resolut, dass es ihrem Tier bestens gehe, denn Hunde schwitzten ja bekanntlich nicht und hinter ihr geht die Tierärztin nun zu den juwelenbesetzten Halsbändern über, die sie triumphierend durch die Luft wedelt. „So eins hat dem da“ – sie zeigt auf den praxiseigenen Chihuahua – „bereits das Leben gerettet, da hat der Schäferhund ihn schon im Mund gehabt, aber der Reißzahn hat nur einen Glasstein rausgebissen!“ Der Chihuahua sitzt hechelnd vorm Fenster und bellt, und das Patiententier ist jetzt marschbereit.