HAMBURGER SZENE VON PETRA SCHELLEN : Ein Gitarrenmärchen
Der Laden liegt versteckt im Hinterhof, schön subversiv. Wir sind zu zweit und fröhlich, mein Kumpel will eine Gitarre kaufen, und ich gehe zur Gesellschaft mit. Es ist ein verschneiter 2013er Frühlings-Samstag, und der Laden wirkt düster. Einen Verkäufer sehen wir nicht, dafür jede Menge bunte Plastik-Mundharmonikas und, natürlich, Gitarren an den Wänden.
Eine von ihnen entpuppt sich als Verkäuferin. Sie trägt eine gitarrenbraune Hose und Jacke und lächelt – die Gitarre ist ein dezentes Instrument – ein bescheidenes Gitarrenlächeln. Aber sicher, sagt sie, Gitarren für maximal 300 Euro habe sie massenhaft da.
Sie zeigt uns dann genau zwei. Wir klimpern unschlüssig herum, die Gitarren sind nicht gestimmt. „Ach ja“, sagt sie, greift sich eine und spielt ein bisschen selbst. „Übrigens, bevor ich’s vergesse: Wir haben da noch ein exquisites 600-Euro-Modell.“
Wir werden muffelig, sagen aber nichts, als sie mit einem Riesenkasten zurückkommt und ihn feierlich öffnet. „Oh, ist ja gar keine Gitarre drin“, sagt sie. „Komisch, wo ist die denn?“ – „Wahrscheinlich geklaut“, platze ich heraus, bevor mir mein Kumpel den Mund zuhalten kann. Aber die Verkäuferin hört es nicht. Als wir gehen, ist sie verschwunden. Vielleicht hat sie nie existiert. Womöglich keiner von uns. Komisch surreales Märchen.