HAMBURGER SZENE VON JONAS JANSEN : Schwieriger Schwarzhandel
Schon mal Schuhe in der S-Bahn gekauft? Ich auch noch nicht. Neulich wäre es aber fast soweit gewesen – wenn ich Geld dabei gehabt und meinen Geschmack zu Hause vergessen hätte. Der Verkäufer springt an der Station Holstenstraße in die Bahn, kurz bevor die Türen schließen. In der rechten Hand hält er einen grauen Slipper, der sogar auf einer Miami-Vice-Gedächtnisparty für entsetzte Gesichter gesorgt hätte. Den anderen Schuh hält er unter seiner Joggingjacke versteckt. Flüsternd zieht er von Platz zu Platz: „Psst, willste Schuhe kaufen?“
Er benimmt sich wie Schlemihl, diese grüne Figur, die in der Sesamstraße Buchstaben verkauft. Nur sieht die reale Variante viel gefährlicher aus. Als er merkt, dass im Waggon niemand an seiner Designerware interessiert ist, erweitert er kurzerhand sein Angebot um zwei Uhren mit grünem Plastikperlenarmband. Den potentiellen Käufern entlockt die Ware nur ein müdes Lächeln, keiner kramt sein Portemonnaie raus.
Beim letzten Versuch wirkt er fast verzweifelt: „Willste denn wenigstens Gras kaufen?“ Solange er mir kein „B“, „F“ oder wenigstens „W“ anbieten kann, bin ich ein undankbarer Kunde. Schlemihl muss an der Schanze erfolglos aussteigen. Vielleicht trifft er dort jemanden, der dringend Schuhe braucht.