piwik no script img

Grüner Bürgermeister kritisiert Bürgerbeteiligung

■ Zu teuer, meint Kreuzbergs Bürgermeister Schulz beim „Stadtforum von unten“

Nicht ohne Stolz sprach der grüne Bürgermeister von Tiergarten, Jörn Jensen, von einer „rot- grünen Laterne, der vielleicht bald auch andere nacheifern“. Gemeinsam mit dem SPD-Baustadtrat Horst Porath hatte sich Jensen für ein Modell stark gemacht, mit dem auch in Zeiten knapper Kassen die Bürgerbeteiligung in Tiergarten abgesichert werden soll. Daß die „rot-grüne Laterne“ dabei ausgerechnet von Jensens Kollegen Franz Schulz, dem grünen Bürgermeister von Kreuzberg, in Frage gestellt wurde, war eine handfeste Überraschung auf der „Innenstadtkonferenz“, die das „Stadtforum von unten“ am vergangenen Freitagabend veranstaltet hatte.

Das Tiergartener Modell der Bürgerbeteiligung ist vor allem der politische Wille, Bürger nicht als Störfaktor der Verwaltung zu begreifen, sondern ihre Einwände ernst zu nehmen. Und das kostet Geld. Da eine Beteiligung von Stadtteilbewohnern laut Baugesetzbuch nur in Sanierungsgebieten vorgesehen ist, müssen sich die Westbezirke, in denen viele Sanierungsgebiete derzeit auslaufen, etwas einfallen lassen. In Tiergarten, erklärte der Baustadtrat Horst Porath, wolle man deshalb noch vor der Sommerpause eine „Kommunalpolitische Konferenz“ einberufen. Erklärtes Ziel der Zusammenkunft sei es, einen eigenen Haushaltstitel „Bürgerbeteiligung“ im Bezirkshaushalt zu etablieren. Damit sollen nicht nur Betroffenenvertretungen über die Dauer des Sanierungsgebiets hinaus gefördert, sondern auch Stadtteilvereine oder Beratungseinrichtungen finanziert werden.

Ganz anders sieht das dagegen der bündnisgrüne Bürgermeister Franz Schulz aus Kreuzberg. Er möchte die „hoch finanzierte“ Bürgerbeteiligung „nicht mehr wie bisher“ fördern und machte sich statt dessen dafür stark, Betroffeneninitiativen je nach Anlaß und Dauer des Konflikts ähnlich wie die Betroffenenvertretungen in den Sanierungsgebieten mit Sachmitteln auszustatten. „Die Adressaten der kommunalen Demokratie“, sagte Schulz, „sind zuerst die Verwaltung und dann die Ausschüsse der BVV.“ Erst an dritter Stelle komme die institutionalisierte Bürgerbeteiligung.

Heftigen Widerspruch erntete Schulz nicht nur vom bündnisgrünen Exbaustadtrat Werner Orlowski, der das Verhalten des Kreuzberger Bezirksamts bei der Abwicklung des Stadtteilvereins SO36 kritisierte, sondern auch von einem Vertreter des Stadtteilvereins Tiergarten. Das kollektive Gedächtnis eines Bezirks sei eben nicht in der Verwaltung vorhanden, sondern in Stadtteilvereinen und Bürgerinitiativen. Die müßten die Verwaltung sogar regelmäßig über Konflikte und Probleme informieren. Die Bezirke, so wurde dem Kreuzberger Bürgermeister ins Stammbuch geschrieben, müßten das Know-how der Initiativen vor Ort nutzen.

Die Stärkung der Bürgerbeteiligung war eines der zentralen Themen der „Innenstadtkonferenz“, an der unter anderem die Bürgermeister von Mitte, Prenzlauer Berg, Tiergarten und Kreuzberg sowie mehrere Baustadträte teilnahmen. Die Veranstalter fordern, die Bürgerbeteiligung wieder zu stärken und nicht nur auf Sanierungs- und Entwicklungsgebiete zu beschränken. Weitere Schwerpunkte waren die Sicherung des Wohnens in der Innenstadt sowie die Verkehrsplanung. Um das Wohnen in der Hauptstadt nicht zum Luxus verkommen zu lassen, sollten im Rahmen der Wohnungsprivatisierungen vor allem Genossenschaften gefördert werden. Außerdem soll die Parkraumbewirtschaftung ausgedehnt werden. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen