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Archiv-Artikel

Grüne Woche vogelfrei kommentar von manfred kriener

Hühner, Gänse, Enten und Ziervögel werden von der Grünen Woche ausgesperrt – so will es jedenfalls Agrarminister Seehofer wegen der Geflügelpest, die neuerdings nur „Vogelgrippe“ heißt. Eigentlich ist das kein Verlust, denn die verlogene heile Welt des Kuschelzoos auf der großen Berliner Messe hat mit der Wirklichkeit in den Ställen ohnehin nichts zu tun. Aber es geht um etwas anderes: um eine vernünftige Reaktion auf die Krankheitsfälle in der Türkei und um die Kunst, Hysterie abzuwehren und gleichzeitig hellwach zu bleiben.

Derzeit überwiegt eine hysterische Tonlage, die an jedem Fernsehabend mit dem Erstickungstod im Müllsack unterfüttert wird. Wenn jetzt der Leiter des WHO-Influenza-Programms behauptet, die Gefahr sei relativ hoch, dass der Erreger durch die große Menschenansammlung auf der Grünen Woche verbreitet werde, dann erinnert das an die Zeitungsberichte des vergangenen Herbstes über das Ansteckungsrisiko von Wellensittichen, die grob fahrlässig im Käfig auf dem Balkon hingen und angeblich treffliche Zielscheiben für den Fallout vorbeifliegender Zugvögel abgaben.

Machen wir mal was Verrücktes: Sammeln wir die guten Nachrichten zur Vogelgrippe. Die sind gar nicht so knapp. Ansteckungsmuster und Krankheitsbilder in der Türkei unterscheiden sich nicht von den aus Asien bekannten Ausbrüchen. Das H5N1-Virus hat sich nicht verändert. Bei allen erkrankten Menschen wurde ein direkter Kontakt mit infiziertem Geflügel nachgewiesen; es gibt keinerlei Anzeichen für eine Übertragung von Mensch zu Mensch. Und die Geflügelpest ist nach wie vor eine Geflügelkrankheit, die nur in extrem seltenen Fällen Menschen ansteckt.

Es fehlt der Türkei auch nicht an Schutzkleidung und Anti-Virus-Mitteln. Die WHO ist mit ihrer Seuchenabwehr zufrieden. Und auch das zeigt der neue Seuchenzug: Nicht alle von den wenigen Menschen, die sich infizieren, erkranken auch. Manche bleiben symptomfrei oder zeigen nur milde Krankheitszeichen. Und von denen, die ernsthaft erkranken, sterben nicht alle.

Und: Es gibt bisher keinen Grund zur Annahme, dass die Türkei die Geflügelpest nicht unter Kontrolle bringt.