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Großzügige Esoterik-Berieselung nach Gießkannenprinzip inkl.

■ Bremer Buchläden fürs Besondere (6): „Ambrosia“ verbreitet die „Urquellen“ der Esoterik / „Schwingende“ Bienenwachskerzen, Klangschalen – und Bücher

Es riecht nach Hippiehöhle, der Geruch von Räucherstäbchen und Bienenwachskerzen kitzelt die Nase. Der kleine Laden ist in schwarz getaucht. Nur sparsam dosierte Lichtkegel lenken das Auge. Zur linken Seite des Raumes leuchten einige Regale mit bunten Buchrücken auf, an der rechten Wand stehen CDs neben Klangschalen. Duftöllampen und Meditationskissen. In schwarzen Kästen liegen funkelnde Steine, Amulette, Pendel und große Kugeln aus Glas, wie sie Wahrsagerinnen benutzen. Wer hier eintritt, sucht Esoterik und kauft seine Bücher und all das übrige Esoterik-Zubehör bei Anne-Gesine Roggendorf.

Mit einem Erbe und ein bißchen Geld aus einem städtischen Fördertopf eröffnete Roggendorf 1989 ihren Esoterik-Buchladen „Ambrosia“ im Viertel. Drei Jahre später war sie in den Schlagzeilen der taz. Hintergrund war ein Streit zwischen der Lesbenszene und Egbert Richter, einem Mann, der als Vorsitzender des „Kosmosophischen Arbeitskreises“ von sich reden gemacht hatte. Einige Frauen warfen Richter, der an der Uni Bremen Mitwohngelegenheiten anbot, vor, sie sexuell belästigt zu haben. Als Richter in der Buchhandlung einen Vortrag über „Wohngemeinschaft und Sexualität“ halten wollte, sprengte die Szene den Vortrag – mit Buttersäure. Nachdem ein weiterer angekündigter Vortrag zum Thema „Gewalt von Frauen und Lesben“ im Konsul-Hackfeld-Haus in einem Pfeifkonzert untergegangen war, war offenbar allen Beteiligten die Luft ausgegangen. Es gab keine weiteren Buttersäure-Aktionen mehr. Doch „Ambrosia“ wurde ein halbes Jahr lang boykottiert. „Wenn ich das damals nicht an die große Glocke gehängt hätte, hätten wir immer noch eine militante Lesbenszene“, sagt Anne-Gesine Roggendorf, die die „Urquellen“ der Esoterik verbreiten möchte. Daher ist sie auch nicht sparsam mit einem guten Rat für die Kunden oder einer kurzen Ausführung über den Namen Jahve und dessen ursprünglicher Bedeutung. Doch die Eingeweihten kennen sich aus: „Bei mir wissen die meisten, was sie wollen. Etwa ein Drittel will aber auch einen Rat. „Dann werden sie sofort berieselt“, gibt Anne-Gesine Roggendorf freimütig zu. Denn im Gegensatz zu vielen Geheimkrämern in der Esoterik will sie ihr autodidaktisch erworbenes Wissen „wie in einem Gießkannenprinzip“ verbreiten.

Eine Kundin verlangt nach Bienenwachskerzen. „Da sind noch die Schwingungen drin, von denjenigen, die die gemacht haben“, erklärt Anne-Gesine Roggendorf. Die Kundin jedoch scheint von esoterischen Schwingungen bisher recht unbehelligt zu sein und unterdrückt ein nervöses Kichern.

Bücher über Tarot stehen bei Anne-Gesine Roggendorf in vorderster Reihe: „Tarot als Zusammenfassung der Weisheitslehre der Mystiker des letzten Jahrhunderts“ erscheint ihr überaus bedeutsam. Aber auch alle Bücher, die praktische Anwendungen beschreiben. Bücher über Aromatherapie, oder zu den Chakren. „Was ich am liebsten verkaufe, ist alles, was spielerisch ist“, sagt sie und holt ein Edelsteine-Quartett aus dem Regal. Oder verweist auf „Meditation und Spiel“. Mit Büchern kann man kein Geschäft machen“, sagt sie. Zudem käme nur die Hälfte der Einnahmen von den Büchern, die andere Hälfte vom Zubehör. Sie lebe im Grunde von ihren Beratungen und betreibe das Geschäft nebenher, nichts anderes als ein Hobby. Luise Flügge

Ambrosia, Am Dobben 82, Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 11-18.30 Uhr, Sa. 11-13.30 Uhr.

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