Großbritannien: Kabinett der weißen Männer
Gordon Brown vergibt nur einen einzigen wichtigen Posten in seiner Regierung an eine Frau - den der Innenministerin.
Zuerst musste er die unangenehmste Aufgabe erledigen. Nach seinem Antritt als britischer Premierminister am Mittwoch musste der bisherige Schatzkanzler Gordon Brown in einem handgeschriebenen Brief festlegen, was im Falle eines Atomangriffs auf Großbritannien zu tun sei. Der Brief darf vom Kommandanten der Trident-Atomflotte erst dann geöffnet werden, wenn Brown außer Gefecht ist. Was in dem Brief steht, erfährt man nur, wenn die Katastrophe eintritt. Andernfalls wird der Brief nach Ausscheiden aus dem Amt vernichtet.
Gestern wandte sich Brown schöneren Aufgaben zu: Er stellte sein neues Kabinett vor. Der Einzige, der seinen Job behalten hat, ist Verteidigungsminister Des Browne. Eine Überraschung ist die Ernennung von Jacqui Smith, der früheren Fraktionschefin, zur Innenministerin. Sie ist die erste Frau auf diesem Posten. Die 44-Jährige hatte als stellvertretende Staatssekretärin für Frauen und Gleichberechtigung im Jahr 2003 für die Regierung Vorschläge zur gesetzlichen Anerkennung für gleichgeschlechtliche Partnerschaften entwickelt.
Sie ist für ihre Loyalität belohnt worden: Sie war entschieden für den Irakkrieg und gegen eine Untersuchung der Begründungen. Sie ist für die Modernisierung der britischen Atom-U-Boote und für die Einführung von Personalausweisen mit biometrischen Daten.
Neuer Außenminister wird David Milliband, der bisherige Umweltminister. Mit 41 Jahren ist er der zweitjüngste Mann auf diesem Posten in der britischen Geschichte. Obwohl Brown sein Amt gerade erst angetreten hat, gilt Milliband als aussichtsreichster Kandidat für seine Nachfolge. Blair hatte ihn einmal mit Wayne Rooney, dem Stürmer der englischen Fußball-Nationalmannschaft verglichen: Er sei vom jugendlichen Star zu einer zentralen Figur in einem Spitzenteam gereift - ein zweifelhaftes Lob, denn Rooney ist von schlichtem Geist. Das kann man von Milliband nicht behaupten. Sein Spitzname ist "Grips".
Blairs Anhänger bedrängten ihn im Mai, gegen Brown für die Parteiführung zu kandidieren. Er entschied sich aus Furcht um seine Karriere dagegen.
Douglas Alexander, ein enger Vertrauter Blairs, wird Minister für internationale Entwicklung. Außerdem hat ihn Brown bereits zum Wahlkampfleiter ernannt, was Spekulationen Auftrieb gab, dass der neue Premierminister eine Blitzwahl plane.
Jack Straw, früher Außen- und Innenminister, der zum Schluss von Blair auf den Posten des Unterhauspräsidenten abgeschoben worden war, wird Justizminister. Er hatte Browns Wahlkampf für die Parteiführung im Mai geleitet.
Alastair Darling übernimmt das Amt des Schatzkanzlers von Brown. Er ist ein Technokrat und sicherlich die graueste Figur im Kabinett. Bevor er 1987 ins Parlament gewählt wurde, war er Anwalt in Edinburgh. Er hat als Chefsekretär im Schatzkanzleramt bereits Erfahrung mit seinem neuen Job gesammelt.
Geoff Hoon ist aus der Versenkung aufgetaucht und wird Labour-Fraktionschef. Als der Irakkrieg begann, war er Verteidigungsminister, bis er vor zwei Jahren entlassen wurde. Auf die Frage, warum der Bodenkrieg begonnen habe, bevor die Luftwaffe einsatzbereit war, antwortete er damals: "Alles geht nach Plan, wenn auch nicht unbedingt in der richtigen Reihenfolge."
Den undankbarsten Job im Kabinett hat Gesundheitsminister Alan Johnson, da das Gesundheitssystem tief in den roten Zahlen steckt und ein Streik des Krankenhauspersonals droht. Nordirlandminister Peter Hain wird Minister für Wales sowie für Arbeit und Renten. Seinen bisherigen Posten übernimmt der Tory-Überläufer Shaun Woodward. Brown hat drei neue Ministerien geschaffen - für Unternehmen, Kinder und Schulen sowie für Innovation - und sie mit John Hutton, Ed Balls und John Denham besetzt. Letzterer ist wegen des Irakkriegs 2003 aus dem Kabinett ausgetreten.
Wer fehlt in Browns Kabinett? Vor allem Frauen, trotz der Ernennung von Smith zur Innenministerin. Außenministerin Margaret Beckett, Gesundheitsministerin Patricia Hewitt und die Ministerin gegen soziale Ausgrenzung, Hilary Armstrong, wurden nicht berücksichtigt, und auch Oberhauspräsidentin Lady Amos, die erste schwarze Frau im Kabinett, fand keine Gnade. Harriet Harman, die am Sonntag zur stellvertretenden Parteiführerin gewählt wurde, wird mit dem politisch bedeutungslosen Amt der Parteivorsitzenden abgespeist.
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