Gottschalk sagt : Gepflegter Beat
WDR4 verjüngt 2007 sein Programm. Die Sendung „Café Carlton“, die ihren treuen Hörern bislang Sonntags einen „gemütlichen Nachmittag mit Musik“ von Operette bis Chanson versprach, wird abgeschafft. Stattdessen kommt dann Mittwochs ein anderes Café und zwar, halten sie sich fest, das „Beatcafé“! Bevor sie, liebe Senioren, jetzt vor Aufregung noch „drei von den Hellgelben“ einnehmen, bedenken Sie, dass schon Erich Honecker gesagt hat: „Niemand in diesem Land hat etwas gegen einen gepflegten Beat.“ Moderiert wird die Sendung übrigens von Chris Howland („Mister Pumpernickel“), dem verrückten Hund.
Als neues Zugpferd holte man sich Frohnatur Isabell Varell („Ich bin ein Star, holt mich hier raus“, „Baby Rock‘n‘Roll“) ins Haus. In der Geriatrie hat man ihr bestimmt noch nicht verziehen, dass sie damals Birgit Schrowange geküsst hat, mit Zunge. Stand doch in der Neuen Post drin. Ich weiß noch, wie auch ich empört dachte: Wie kann man ausgerechnet Birgit Schrowange küssen! Aber die Geschmäcker sind halt verschieden.
Ich berichte das nur, also das mit der „Verjüngung“, weil ich mal wieder Recht hatte und zwar am 5. August 2004, als ich an dieser Stelle voraussagte, dass WDR4, später, wenn wir mal selber im Heim sind, in Sendungen die dann „Aus dem CD-Regal – Songs, die echt rocken!“ oder so ähnlich heißen, Nirvana spielen wird. Das kommt rein rechnerisch ziemlich genau hin, wenn jetzt die Beatmusik der frühen Jahre eine eigene Sendung erhält. Hoffentlich wird „Aus dem CD-Regal“ nicht von Gülcan, der Miss Schlimme-Stimme von Viva, moderiert. Furchtbare Vorstellung. Ich habe Angst vor der Zukunft! Naja, wenn Oliver Pocher den Bambi für sein Lebenswerk erhält, bin ich bestimmt schon tot. Sterben ist nicht schön, aber es hat auch Vorteile.
Der zweite Grund, mich dem Thema anzunehmen, war, dass mein treuer Leser Roland S. aus K. (48) sich voller Sorge an mich wandte. Wie jeder weiß, habe ich mein Ohr stets am Herz des Lesers und helfe, wo ich kann. Natürlich hatte der gewiefte Berufsquerulant schon einen Beschwerdebrief an die Wellen-Chefin Rena Pieper geschickt: „Mein größter Protest richtet sich aber gegen die Abschaffung der Flimmerkiste. Gerade erst hoch gelobt, wird sie ab Januar der Schallplattenbar geopfert.“ Daraufhin hat Wellenchefin Rena Pieper ihm quasi in die Hand versprochen, dass die Flimmerkiste, eine Sendung, die „nicht nur Melodien aus alten und neuen Filmen und Musicals“ spielt, „sondern auch die neuesten Informationen aus der schillernden Welt der Bühne und der Studios“ (WDR) vermittelt, nicht abgeschafft, sondern nur verschoben und verkürzt wird.
Unser Auftrag ist nun, dies zu kontrollieren und für jetzt und in aller Zeit darauf hinzuwirken, dass Sendungen auf WDR4 weiterhin so schöne Namen haben wie „Schallplattenbar“, „Gut aufgelegt“ oder in ferner Zeit vielleicht: „In I-Tunes unter Meine Lieblingstitel abgelegt“.
Fotohinweis: CHRISTIAN GOTTSCHALK lebt in Köln und sagt die Wahrheit – alle zwei Wochen in der taz