: Gegenspion der USA war russischer Doppelspion
■ In den USA wurde ein hoher Agent des amerikanischen Geheimdienstes als Doppelagent verhaftet / Er soll seit neun Jahren erst für die sowjetische und dann für die russische Spionage ...
Washington (wps/AFP/AP) – Offiziell, auch wenn der Verdacht bereits länger bestand, wird der letzte Montag als schwarzer Tag in die Annalen des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA eingehen. Nach den prominenten Überläufern aus dem britischen MI6, den bundesdeutschen Deserteuren Tiedge und Kuron, hat jetzt auch der größte westliche Geheimdienst seinen Spionage-GAU. Der Mann, der jahrelang die US- Spione in der Sowjetunion führte, arbeitete mit hoher Wahrscheinlichkeit für den sowjetischen Geheimdienst KGB. Aldrich Hazen Ames, seit 31 Jahren Mitglied der Company, und seine Frau Maria del Rosario Casas Ames, ebenfalls zeitweilige CIA-Residentin in Mexiko, wurden unter dem Vorwurf festgenommen, für Rußland und die frühere Sowjetunion spioniert zu haben.
US-Präsident Bill Clinton sagte am Dienstag vor Journalisten im Weißen Haus: „Dies ist ein sehr ernster Fall.“ Aldrich Ames und seine Frau Maria, eine gebürtige Kolumbianierin, sollen seit 1985 Informationen über die CIA und ihre Agenten verraten und dafür 1,5 Millionen US-Dollar (rund 2,6 Millionen Mark) kassiert haben. Beiden droht lebenslange Haft und eine Geldstrafe in Höhe von 250.000 Dollar. Der 52 Jahre alte Agent, der bereits seit zwei Jahren unter Spionageverdacht gestanden haben soll und der seit zehn Monaten vom FBI überwacht wurde, war von 1983 bis 1985 Leiter der für die Sowjetunion zuständigen Gegenspionage der CIA.
Nach Angaben des Justizministeriums ist er der bisher ranghöchste CIA-Mann, der angeklagt wird, für die andere Seite gearbeitet zu haben. Weil er Agenten des KGB für die USA rekrutierte, kannte er die Namen der CIA-Informanten in der Sowjetunion. Diese gab er offenbar an den KGB weiter. Später arbeitete Ames allerdings den Angaben zufolge bei der Bekämpfung des Drogenhandels. Er soll bis zuletzt Zugang zu allen wichtigen Geheimvorgängen gehabt haben.
Das Paar soll bis zu seiner Festnahme Geheimdokumente in toten Briefkästen in der Region von Washington deponiert haben, wo sie zunächst von sowjetischen und später russischen Geheimdienstagenten eingesammelt wurden. Zudem trafen sich die beiden mehrmals mit sowjetischen Agenten in Washington und im Ausland. Das Honorar wurde in bar auf Schweizer Bankkonten eingezahlt. Von den Dividenden kauften die Ames den Angaben zufolge unter anderem einen Jaguar-Luxuswagen, ein großes Haus außerhalb Washingtons und Aktien. Die CIA erreichte inzwischen, daß die Guthaben der Ames auf mehreren Konten in den USA und im Ausland eingefroren wurden.
Das Ehepaar Ames wurde gefaßt, nachdem Ermittler heimlich ihr Haus und ihren Abfall durchsucht sowie seinen Computer angezapft hatten. Bei der CIA gab es offenbar einen ersten Anfangsverdacht, als bekannt wurde, daß Ames sein 500.000-Dollar-Haus bar bezahlte.
CIA-Chef James Woolsey bemühte sich gestern, den Fall herunterzuspielen. Sein früherer Mitarbeiter sei allenfalls in der Mitte der Hierarchie einzuordnen. Der Spionagefachmann Roy Godson, Professor an der Universität Georgetown, erklärte dagegen, nicht der Rang sei entscheidend für den angerichteten Schaden, sondern der Zugang, den Ames zu wichtigen Informationen gehabt habe. Und eine Person wie Ames habe wahrscheinlich Zugriff auf eine Menge Informationen gehabt, deren Übermittlung an den ehemaligen Gegner sich als sehr schädlich erweisen könnte. Aber spielt der US- Geheimdienst nicht das gleiche Spiel wie die Russen? „Ich denke, wir haben immer noch einige Operationen laufen“, sagte der Rußlandexperte Mark Lowenthal, früher Geheimdienstbeamter im Außenministerium. Und Professor Godson fügte hinzu: „Ich glaube nicht, daß es freundliche ausländische Geheimdienste gibt. Es gibt freundliche Regierungen, aber alle Aufklärungsdienste sind an sich ein Problem.“
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