GUANTÁNAMO IST EIN RECHTSFREIER RAUM – DAS IST DER SKANDAL : Ersatzdebatte Koranschändung
In der öffentlichen Auseinandersetzung über den Vorwurf der Koranschändung im US-Gefangenenlager Guantánamo hat die US-Regierung einen Punktsieg davongetragen. Das Magazin Newsweek musste seinen entsprechenden Bericht zurückziehen, und das Bashing, das auf die verantwortlichen Journalisten einhagelte, hat eine ganze Branche verunsichert. In der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, es sei nun erwiesen, dass an den Vorwürfen nichts dran sei. Das Eingeständnis des Pentagons vom Donnerstag, in fünf Fällen sei tatsächlich ein Fehlverhalten von US-Personal festzustellen gewesen, unterstützt diesen Eindruck. Handelt es sich doch um Vorgänge, deren relative Harmlosigkeit nicht geeignet ist, „Skandal“ zu rufen.
Die völlig überzogene Wortwahl der Amnesty-international-Chefin Irene Khan, bei Guantánamo handele es sich um das „Gulag unserer Zeit“, hilft dem Pentagon sogar noch dabei, Kritik ins Reich des Absurden zu verbannen. Dabei gerät der grundsätzliche Konstruktionsfehler Guantánamos in Vergessenheit: Ohne Anklage, Gericht und Verurteilung sitzen dort seit Jahren Häftlinge mit ungeklärtem Status ein, deren Schuld niemals bewiesen werden musste. Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA, dieser Situation abzuhelfen und den Gefangenen prozessuale Rechte zuzugestehen, wird bis heute von der US-Regierung weitgehend ignoriert.
Stattdessen kontert das Pentagon Vorwürfe der Gefangenen stets mit dem Hinweis darauf, bei diesen handele es sich ja nicht um irgendwen, sondern um, wie es Brigadegeneral Hood ausdrückte, „feindliche Kämpfer, die eine klare Bedrohung und Gefahr für die Vereinigten Staaten und unsere Verbündeten darstellen“. Das ist und bleibt Verurteilung ohne Richter und Verfahren – ein klarer Bruch jedes nur denkbaren Rechts.
Die Diskussion über Koranschändungen ist angesichts dessen ein emotional und symbolisch aufgeladener, bei der Frage nach Rechtsstaatlichkeit aber unbedeutender Nebenschauplatz. Daran sollte auch die über die Medien triumphierende US-Regierung erinnert werden. BERND PICKERT