GEHT’S NOCH? : Ein E-Book ist kein Buch
EU-STAATEN MÜSSEN ELEKTRONISCHE BÜCHER KÜNFTIG VOLL BESTEUERN – DENN SIE GELTEN ALS DIENSTLEISTUNGEN
Auf elektronische Bücher müssen die EU-Staaten künftig den vollen Umsatzsteuersatz erheben. Das entschied der Europäische Gerichtshof am Donnerstag in einem Urteil gegen Frankreich und Luxemburg. Beide Länder dürfen auf E-Books nicht mehr die reduzierte Mehrwertsteuer, wie sie für gedruckte Bücher gilt, anwenden. Die Begründung: Eine Minderung dürfe es nur für die „Lieferung von Büchern auf jeglichen physischen Trägern“ geben.
Ein E-Book wird ohne Papier, ohne Bindung, ohne Umschlag geliefert. Es wird mithilfe eines Lesegeräts gelesen, kommt aber als Datei. Nach der Definition des Gerichtshofs ist es darum kein Gut, sondern eine Dienstleistung.
Der Steuersatz auf gedruckte Bücher ist deshalb niedriger, weil diese als Kulturgüter gelten. Die Zugangsschwelle soll möglichst niedrig gehalten werden. Für E-Books gilt das ab jetzt nicht mehr.
Kulturpolitisch ist diese Ungleichbehandlung des elektronischen Buches gegenüber dem gedruckten fatal, es lässt das E-Book als minderwertig erscheinen. Darum bemühen sich auch hierzulande Verlage und Buchhändler seit Jahren um eine reduzierte Mehrwertsteuer, selbst im Koalitionsvertrag der Großen Koalition ist die steuerliche Gleichbehandlung des E-Books mit dem gedruckten Buch festgeschrieben – umgesetzt wurde sie bislang indes nicht.
Selbst die Unesco hat den Sprung ins digitale Zeitalter früher geschafft. Seit 1985 gilt der Unesco eine nichtperiodische Publikation als Buch – von Papier ist da keine Rede mehr. Warum auch? Selbst der Datensatz des E-Books ist mit dem der gedruckten Variante in der Regel identisch.
Einst hieß es: Ein Comic – das ist kein Buch. Dahinter steht ein Kulturpessimismus, dem Literatur im Datensatz als geistlos gilt, ein Buch im Leineneinband und mit handgeknüpftem Lesebändchen aber als geistvoll. Kurz gesagt: Alles, was man nicht unter den Tisch klemmen kann, wenn er wackelt, ist keine Kultur. Und genießt darum keinen besonderen Schutz.
Und das gilt dann wohl bald auch für Hörbücher oder Filme, die gestreamt werden. SONJA VOGEL