: Fußvolk bleibt Fußvolk –betr.: „Wenn das Volk diktieren will“, taz vom 28. 12. 98
[...] Ich hätte mir gewünscht, daß eine genuin rebellische Zeitung etwas mehr Verständnis aufbringt, wenn Bürger sich gegen den Obrigkeitsstaat zu wehren versuchen. Statt dessen versucht Christian Füller (wie die Kultusminister), die Kritiker der Schreibveränderungen madig zu machen: als „aufgeregte Sprachschützer“, die „skurril auftreten“, „wettern“ und „toben“, vom „Kulturgut deutsche Sprache“ und vom „deutschen Volk“ faseln (das Wort „Volk“ benütze ich nie, höchstens „Fußvolk“). Daß die Kritiker von Anfang an argumentiert haben (weil die Schreibveränderungen völlig überflüssig sind, milliardenteuer, inhaltlich mißlungen, antidemokratisch usw.), übergeht Füller. Statt dessen erwartet er die „gemäßigte Kleinschreibung“ (um die es gar nicht geht) und Vereinfachungen (die es gar nicht gibt, erst recht nicht für die Millionen, die schon schreiben können und jetzt umlernen sollen, damit ein paar sich eine goldene Nase verdienen).
[...] In Bremen sollten die Bürger noch einmal ein Zeichen setzen, auch wenn dies den Politikern (da die großen Parteien hier wie eine Räuberbande zusammenhalten) scheißegal ist. Deshalb geht es auch anders aus als in Andersens Märchen: Der Kaiser ist nackt, und nicht nur ein Kind, sondern fast alle protestieren. Da aber beginnen einige Höflinge, sich ebenfalls die Hosen auszuziehen, zugleich zwingt man die Kinder und die Beamten, dasselbe zu tun, damit die Mächtigen recht behalten. Das ist Demokratie von oben, ein vielverprechender Anfang für die Berliner Republik, in der zwar die Schuld unserer Vorfahren immer wieder besprochen wird, die eigenen Fehler jedoch locker verdrängt werden. [...] Friedrich Denk, Weilheim i.OB
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