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Frühstücksfrüchte wie Körper zerschneiden

■ Präzise Darbietung von unaufdringlichen, sauberen Harmonien: Die Neo-Folkerin Penelope Houston ist im angemessenen Klanggewand endlich radiotauglich bearbeitet

In den Siebzigern, als der Punk nach Kalifornien kam, kam auch Penelope Houston schnell, laut und fetzig. Aber das ist alles subjektiv. Objektiv betrachtet wurden die alten Songs auf ihrem neuen Album Cut You zum Teil radikal beschnitten und überarbeitet. Darf man dem Pressetext der WEA glauben, war es Houstons eigener Wunsch, ihre besten Songs endlich „im klangtechnisch angemessenen Gewand präsentieren zu können.“ Glaubt man den Gesetzen der Marktwirtschaft, wurden die Songs mit verminderter Länge schlichtweg radiotauglicher.

Auch die Überzeugungsarbeit von Produzent Jeffrey Wood, der die schöne Blonde dazu überredete, erstmals seit ihrer Arbeit mit Avenger wieder elektrische Gitarren einzuspielen, könnte dem Verkauf des neuen Albums dienlich sein. Wie auch die komplette Übersetzung der Songtexte. In denen finden sich, wie zum Beispiel in der Neukomposition „Cut You“, durchaus Parallelen zu vergangenen Zeiten. Ein bissiger, eindeutig zweideutiger Text, der sowohl auf das Zerlegen eines Apfels als auch auf menschliche Körper zielen könnte.

Musikalisch hat diese von Countryelementen durchsetzte Ballade mit den ersten Stücken aus Houstons Avenger-Zeiten jedoch wenig zu tun. Die Formation, zu der unter anderem auch der spätere Chris Isaak-Gitarrist Jimmy Wilsey gehörte, brachte es 1978 mit ihrem US-Punk bis zum Support-Act der Sex Pistols in Houstons Heimatstadt San Francisco. Mit den Jahren machte jedoch auch Miss Houston eine musikalische Kehrtwendung. Die alte Fangemeinde kehrte ihr nach Erscheinen der Birdboys 1987 den Rücken: Ein rein akustisch eingespieltes folkloristisches Album, das aufgrund seiner Eigenwilligkeit in den Staaten zum ewigen Geheimtip verdammt war.

Gefeiert wurde Penelope schließlich in Europa, wo sie im Zuge des Neo-Folk-Booms zum Star der Szene avancierte. Die Aufmerksamkeit des amerikanischen Publikums jedoch blieb ihr bis dato versagt. Ihr drittes Album Karmal Apple ist in den USA bis heute unveröffentlicht. Nicht so Cut You, das dort bei Reprise erscheint. Ob die Compilation der TV-Moderatorin in den USA oder im fernen Europa den ersehnten Mainstreamerfolg bringt, wird man sehen. Auf jeden Fall kann man sich das Werk der Blondine auch nach dem Auftritt in der Markthalle prima zum Frühstück genehmigen. Von der präzisen Darbietung der unaufdringlichen, sauberen Harmonien könnte sich mancher Folker eine Scheibe abschneiden. A. Dierks So, 17. März, 21 Uhr, Markthalle

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