: Frauenfeindlich -betr.: "Baby entführt und Mutter ermordet", taz vom 13.7.1995
Betr.: „Baby entführt und Mutter ermordet“, taz v. 13.7.
Mehrfach haben Bremerinnen die wenig frauenfreundliche, wenn nicht frauenfeindliche Berichterstattung und Tendenz der taz Bremen gerügt, den Sexismus der Redaktion kritisiert, die Tatsache gerügt, daß es sich fast ausschließlich inzwischen um eine Werbebroschüre rot/grün handelt – was insbesondere im Wahlkampf deutlich wurde, unter Mißachtung kleinerer, zur Wahl sich stellender Parteien und Gruppierungen, insbesondere der Bremer Frauenliste und der PDS; immer wieder war schlechte Recherche zu rügen, wenn nicht gar schlampige Berichterstattung. Deshalb haben nach meiner Kenntnis einige Frauen in Bremen ihre Abonnements gekündigt.
Nun finde ich in der Ausgabe vom 13.7. einen Artikel mit der Überschrift „Baby entführt und Mutter ermordet“ und bin nicht nur als Verteidigerin der Beschuldigten, sondern als Juristin einerseits und Bürgerin andererseits dieses angeblich demokratischen Rechtsstaates äußerst befremdet darüber, daß die taz sich einfindet in die allgemeine Berichterstattung und Vorverurteilung von Menschen mit der Bezeichnung der Ermordung, ohne daß irgend ein Gericht bislang durch ein Urteil festgestellt hat, daß ein Mord begangen wurde.
Mir scheint, auch den tazlerInnen muß noch einmal Nachhilfeunterricht erteilt werden darüber, daß eine beschuldigte Person bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung nach unserer Verfassung und unseren Gesetzen als unschuldig gilt und insbesondere die Presse sich deshalb jeglicher Vorverurteilung zu enthalten hat, insbesondere deshab, weil eine unbefangene gerichtliche Beurteilung und Feststellung durch die Justiz gefährdet, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird, wenn die öffentlichen Medien ihre Feststellungen schon einprägsam und suggestibel für die RichterInnen, insbesondere die LaienrichterInnen, getroffen haben.
Jutta Bahr-Jendges, Rechtsanwältin
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