Frau Schwab geht unter Leute : Auf der Tupper-Party im Frauencafé
Es ist so weit: Auf zur Tupperware-Party! Was mich ein Vierteljahrhundert davor schützte – Feminismus, Emanzipation und so –, hat mich am Ende doch zu ihr geführt. Denn das Ereignis findet im Frauencafé auf der Potsdamer Straße statt. „Begine“ heißt es. Der Ort hat eine wechselvolle Geschichte mit Hausbesetzung und „wir brauchen männerfreie Räume“ und „Frauen erobern die Nacht zurück“. Früher fanden hier Frauenpartys, Lesbenpartys, Sexarbeiterinnenpartys, Krüppelfrauenpartys statt. Wenn jemand eine organisiert, ist das immer noch möglich. „Aber solange nichts geht, geht ’ne Tupper-Party, dachte ich“, sagt die heutige Gastgeberin, die früher jahrelang Kulturarbeit in der Begine gemacht hat.
Rund um den mit Tupperware-Produkten ausstaffierten Show-Tisch sitzen ungefähr 25 Besucherinnen. „Meine Schwester schwört auf Tupper“, sagt eine. „Meine Mutter schwört auf Tupper“, sagt eine andere. „Ich geh mit Tupper einkaufen“, sagt eine Dritte. Die Tupperware-Repräsentatin wiederum sagt: „Ich tuppere seit sieben Jahren. Früher war ich Erzieherin.“
Als Erstes zeigt die Tupperware-Beraterin die CombiPlus-Waage. Der Schutzdeckel ist gleichzeitig die Schüssel, in der Mehl & Co abgewogen wird. Um Spargel abzuwiegen, der für die Schüssel zu sperrig ist, sei es besser, den Spritzschutzdeckel von P 10, der großen CombiPlus-Rührschüssel, zu nehmen, meint die Repräsentantin. Er passt auf die Waage. Die Waage ist das „Verabredungsgeschenk“. Soll heißen, die Gastgeberin kriegt die. Für alle anderen wird auf die Nummer P 13 in der Preisliste gezeigt: 29,90 Euro.
Als Nächstes greift die Repräsentantin zum Ultra-Plus-Behälter. „Das ist unser Römertopf.“ Um nicht als Lügnerin dazustehen, zaubert ihre Assistentin im Laufe der Veranstaltung im Ultra-Plus-Behälter ein Buttermilchbrot in der Mikrowelle, denn Ultra-Plus halte das im Gegensatz zum Römertopf aus.
Dann kommt der „große Silikon-König“ dran. Natürlich handelt es sich hierbei um eine Napfkuchenform. „Silikon ist ein weiches, wie ich finde, sehr schönes Material“, sagt die Repräsentantin und knautscht es kräftig. „Klar, da werden ja auch Brüste von gemacht“, wirft eine Zuschauerin ein. Vom Silikon-König geht’s zu den Gefrier-Sets. Wer Spargel „eintuppern“ will, braucht dafür die Version „flach 600“. Auf der Preisliste unter G 21 im Set. Die Behälter sind eckig. Eckige Tupper ist, wie zu erfahren ist, nicht „flüssigkeitsdicht“.
Die Tuppersprache ist reich an weiteren Wortschöpfungen. Da gibt es „unkaputtbare Bungee-Schüsseln“ und „Hitparaden-Dosen“. Da kommen „Quick-Chefs“ und „Happy-Chefs“ zum Zug. Besonders sind auch die „Aktionsbehälter“ und „Sternchenpreislisten“. Unter den Besucherinnen wiederum machen „Tupper-Mainstream“ und „Tupper-Ausnahmen“ die Runde.
Bisher dachte ich, Plastikbehälter seien ein Durchlaufposten wie Kugelschreiber. Man hat sie eine Zeit lang, dann sind sie weg, liegen gelassen irgendwo und vergessen, weitergereicht und nicht zurückgefordert. Alles falsch! Plastikdosen sind fürs Leben. Wie Meißner Porzellan und Silberbesteck. Tupper ist Aussteuer. Tupper ist Vermächtnis.
„Meine Mutter hat mir eine tupperisierte Wohnung vererbt“, sagt eine der Anwesenden. Was ist wertvoller: Tupper oder die Wohnung? „Tupper natürlich. Da sehe ich meine Mama ganz klar, wie sie den schon stumpf gewordenen bläulichen Deckel auf die tausendfach abgewaschene Dose drückt.“ Tupperware ist ein Zauberzeug: Es erweckt tote Mütter zum Leben. Endlich kann jede sich mit ihrer versöhnen.
Am Ende sind alle vertuppert. Wie bei einer guten Party bedarf es keiner extra Musik, um die Leute zu unterhalten. Die Stimmung ist tupa. Eine bis dahin mir unbekannte Frau kommt an den Tisch und fragt, ob ich eine „Käseglockengemeinschaft“ mit ihr eingehen möchte. Im Januar kriegt man zwei Käseglocken zum Preis von einer. Ich will. Denn die Tupper-Party in der Begine ist Tupper-Initiation.
WALTRAUD SCHWAB
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