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Film über deutschtürkische Fußballerinnen"Hallo? Wo lebst du denn?"

Mit der Doku "Ich gehe jetzt rein" thematisiert Aysun Bademsoy deutschtürkische Fußballerinnen aus Berlin-Kreuzberg. Ein Gespräch über den Weg in die Freiheit und den Fluch von Hartz IV.

Safiye und ihre Freundinnen spielen Fußball. Bild: peripher filmverleih

taz: Frau Bademsoy, in Ihrem Film "Ich gehe jetzt rein" porträtieren Sie zum dritten Mal eine Gruppe deutschtürkischer Freundinnen aus Berlin, die sich als Jugendliche über das Fußballspielen kennengelernt haben. Was hat Sie dazu bewogen, wieder zu diesen Figuren zurückzukehren?

Aysun Bademsoy: Mein letzter Film über diese fünf Mädchen, "Nach dem Spiel", ist mittlerweile zehn Jahre her. Nach dieser Zeit stellte sich die Frage: Was hatten sie damals an Träumen und Wünschen und wie sieht ihre reale Situation heute aus? Ich fand es spannend, herauszufinden, wie sich speziell diese Generation beim Erwachsenwerden verändert hat. Ist die Energie des Aufbruchs, die in den ersten beiden Filmen vorhanden war, noch spürbar?

Fast alle deuten an, seither harte Zeiten durchgemacht zu haben. Aber der Film hakt nicht nach. Bis auf eine Ausnahme erfahren wir nichts Genaues darüber, was die Protagonistinnen erlebt haben.

Aufgrund meiner Erinnerungen und meines Wissens über diese Kultur gibt es bei mir einen Respekt, bestimmte Dinge nicht zu sagen, bestimmte Grenzen des Privaten nicht zu überschreiten. Ich mache kein Reality-TV, in dem die Leute gezwungen werden, sich so sehr zu öffnen, dass sie das Gefühl bekommen, der Kamera völlig ausgeliefert zu sein.

Im Grunde genommen ist bereits alles in diesem einen so schönen wie bitteren Satz enthalten: "Es war ein schwerer Weg, die Freiheit."

Wenn man den Film als Türkin sieht, versteht man sofort, was dieser Weg ist. Was es bedeutet, als türkisches Mädchen von seiner Familie Freiheit zu fordern.

Wie haben die Ehemänner darauf reagiert, dass Ihre Frauen für einen Film interviewt werden?

Zuerst wollten sie das nicht. Ich habe mich immer wieder mit ihnen getroffen und erklärt, dass es gar nicht direkt um ihre Frauen geht, sondern darüber hinaus über unsere Gesellschaft und unsere Kultur. Über das Dasein als Türke in Deutschland, als Deutschländer.

Die Männer werden dann ja auch ein-, zweimal ins Bild gerückt. War das die Bedingung für deren Einverständnis?

Die Frauen wollten das vor allem. In den Szenen mit den Männern ging es mir darum, die Momente zu zeigen, wo sie das Leben der Frauen mit beeinflussen. Aber man darf sich nicht täuschen: Die Frauen haben zu Hause die Hosen an. Nalan auf jeden Fall. Man sieht das in der Szene, wo sie ihrem Mann zuhört und dabei die Augen verdreht.

Der Film eröffnet mit einem Bekenntnis. Eine der Frauen sagt von sich: Ich habe einen deutsche Pass, ich fühle mich nicht als Türkin, aber ich bin Türkin, weil ich von den Deutschen als solche behandelt werde.

Man wir zur Türkin gemacht. Das ist das Problem. Ich persönlich werde nicht zur Türkin gemacht, obwohl ich dort geboren bin. Zu mir sagt man eher: Du, eine Türkin? Das gibts doch nicht. Worüber ich nur den Kopf schütteln kann und denke: Die Türkei ist ganz anders, als ihr euch das denkt. Seit drei Generationen leben Türken in Deutschland, und keiner schaut genauer hin. Das ist für mich Ausdruck einer depressiven Toleranz der türkischen Bevölkerung gegenüber.

Depressiv?

Ja. Weil die Deutschen es einfach laufen lassen. Weil sie sagen: Lass die mal machen. Und das finde ich kein gutes Zusammenleben. Man muss schon hinschauen, sich einmischen. Natürlich gibt es Grenzen des Einschreitens in bestimmten Bereichen. Aber das grundsätzliche Interesse aneinander sollte schon da sein.

Gilt das für beide Seiten?

Ja, für beide. Die erste Generation von Gastarbeitern, die in den Fabriken gearbeitet hat, hatte noch echten Kontakt zu den Deutschen. Diese Arbeiter haben ein viel besseres Deutsch gesprochen als die nachfolgenden Generationen, die heute auf dem Arbeitsmarkt ohne Chancen sind, aus der Gesellschaft rausfallen und in die Nische der türkischen Community gezwungen werden. Die Hartz-IV-Empfängern unter den Türken fallen total zurück. Wir sehen ja, was das für eine Gesellschaft bedeutet und wie es sich in der Bildungssituation niederschlägt.

Man schottet sich ab. So wie der Mann von Nalan, der sagt: Es wäre mir lieber, wenn meine Tochter keinen Deutschen heiratet.

Da denke ich mir auch: Hallo? Wo lebst du denn? Wach mal auf! Und er selber läuft rum wie ein Hiphopper.

Wie könnte man das ändern?

Es ist vor allem eine Frage der Bildung. Sind die Eltern gebildet, sind auch die Kinder gebildet. Der deutsche Staat hat viel zu lange die Schulen vernachlässigt.

Im Film sehen wir, dass auch Religiosität in dieser Generation eine starke Rolle spielt.

Als Arzu anfing zu beten, war ich erstmal schockiert. Damit hatte ich nicht gerechnet. Das wurde zu einer Existenzfrage für sie. Eigentlich wollte sie ja am Marathon teilnehmen, hat hart dafür trainiert. Und dann sagt ihr der Arzt: Fasten im Ramadan und einen Marathon rennen, das ist gefährlich für die Gesundheit, das geht nicht zusammen.

Und sie entscheidet sich für die Religion und gegen die Teilnahme am Lauf.

Ich denke aber nicht, dass diese Generation insgesamt religiöser wird. Eher, dass die Religion in einem Moment einkehrt, wo die Familie nicht mehr alles zusammenhält. Aber dafür ist vielleicht Freiheit möglich. Arzu hat eigentlich die Freiheit erreicht, die sie wollte, aber dafür ist sie nun allein. Und die Religion gibt ihr Schutz, allerdings in einer modernen Form. Dass sie das Gebet zum Ramadan im Fernseher verfolgt und selbst davor betet, hat etwas sehr Ernüchterndes und zugleich Trauriges.

Vor allem, wenn man Nalans Mann über den Wert der Tradition reden hört, wundert man sich: Hat sich tatsächlich etwas zwischen den Generationen geändert oder sind das nur oberflächliche Verschiebungen?

Das ist genau die Frage. Vor allem die Komplikationen stehen jetzt im Mittelpunkt. Man kennt die Tradition und stellt sie infrage. Ich glaube aber, dass sich wirklich etwas ändert. Der Blick auf die Deutschen ändert sich. Wenn die nächste Generation in die Pubertät kommt, wird es noch interessanter.

"Football Under Cover", "Prinzessinnenbad" oder Ihre Filme: Wenn es um junge Erwachsene in Kreuzberg geht, interessiert sich das Kino offenbar mehr für die Frauen als für die Männer. Sind Frauen eher bereit, aus vorgegebenen Situationen auszubrechen?

Es gibt auch Dokumentarfilme über männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund, zum Beispiel die Filme von Bettina Braun "Was lebst du" und "Was du willst". Aber an den Frauen wird die Situation deutlicher. Sie sind einem sichtbaren Druck ausgesetzt. Deshalb schaut man bei ihnen genauer hin.

INTERVIEW: DIETMAR KAMMERER

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