Fabian Hinrichs und sein Regisseur: Totales Identifikationstheater
Schauspieler Fabian Hinrichs und Regisseuer Laurent Chétouane, die in Köln "Empedokles/Fatzer" aufführen, sind eines der produktivsten Paare des Gegenwartstheaters.
I hr erstes Treffen stand unter keinem guten Stern. Der Schauspieler Fabian Hinrichs sah sich 2005 die "Woyzeck"-Inszenierung von Laurent Chétouane am Hamburger Schauspielhaus an und war nicht begeistert: zu unsinnlich, zu verstiegen, zu dogmatisch. Doch es gab drei Szenen, darunter ein breit ausgespieltes Schnitzen von Stöcken, die Hinrichs animierten, den jungen französischen Regisseur noch auf der Premierenfeier anzusprechen. Spontan schlug er ihm "Prinz von Homburg" als gemeinsames Projekt vor. Aus Kleist wurde dann zwar Büchners "Lenz"-Erzählung, nichtsdestotrotz, es war der Beginn einer kongenialen Freundschaft.
Die Theatergeschichte ist ohne die großen Regisseur-Schauspieler-Beziehungen von Reinhardt-Moissi bis Zadek-Wildgruber nicht denkbar. "Jede theatralische Bewegung hat ihren Schauspieler, in dem sich ihr Wollen und Können am stärksten ausprägt und beispielhaft dokumentiert", schrieb der Regisseur Leopold Jessner in den 1920er-Jahren über Fritz Kortner. Man muss Laurent Chétouane nicht zum Exponenten einer neuen Theaterbewegung stilisieren; doch dass die Verbindung mit Hinrichs ein Ausnahmefall ist, da sind sich nicht nur die beiden einig, sondern auch die Theater, die ihre Produktionen ermöglichen, wie die Kammerspiele München oder das Schauspielhaus Köln.
"Die Art, wie Fabian seinen Körper bewegt und seine Gewohnheit, Platz zwischen den Worten zu lassen", hat Chétouane, dessen Inszenierungen schon mal als Text-Andachten bezeichnet werden, sofort begeistert. Er schätzt Hinrichs Fähigkeit, sich von einem Text zu distanzieren und zugleich davon affektiv mitreißen zu lassen.
Am Kölner Schauspiel haben die beiden zwei fragmentarische Texte, Hölderlins "Der Tod des Empedokles" und Brechts "Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer", zu einem Abend verflochten. Fabian Hinrichs ist einer von zwei Schauspieler, die sich zusammen mit der Tänzerin Sigal Zouk auf einer karg möblierten Bühne zu einsamen Bilder formieren. Mal bilden sie ratlos eine Gruppe zwischen Familie oder WG, dann wird ein kahler Baum als jämmerliche Naturevokation mit Blumen geschmückt. Mit Totenmaske und Trommel verwandelt sich Hinrichs in eine lebende Vanitasmetapher. Es sind Bilder von großer Tristesse und Entfremdung, deren Verunsicherung weitergetrieben wird bis in die Sprache, wenn Hinrichs den Wortsinn der Verse durch lange Pausen ständig in der Schwebe hält.
Vier Inszenierungen haben die beiden inzwischen gemacht. Nach "Lenz" folgten "Iphigenie auf Tauris", der Monolog "Ich bin Hamlet" und schließlich "Empedokles/Fatzer". Büchners "Lenz" markierte dabei vor allem für Hinrichs einen Umbruch in der Arbeitsbiografie. Nach fünf Jahren Engagement an der Berliner Volksbühne empfand es als Befreiung, wieder "stärker inhaltlich zu arbeiten". Als gemeinsame Basis benennt er den "Forschergeist bei Laurent und mir", der für ihn die Grundlage jeder künstlerischen Arbeit darstellt. "Wir suchen das Neue, ohne zu wissen, was das Neue ist", ergänzt Laurent Chétouane.
Als Forschungsgrundlage lernt Fabian Hinrichs dafür auch schon mal die gesamte "Lenz"-Erzählung oder alle Rollen des "Hamlet" auswendig. Ganz so unbestimmt ist diese Suche allerdings nicht. Sie lässt sich als Frage nach einer anderen Zeitwahrnehmung, nach dem Zusammenhang von Sprache, Geste und Bedeutung auf der Bühne und der Aktivierung des Zuschauers beschreiben. Für ihre Suche nicht unerheblich dürfte sein, dass beide vor ihren Theaterkarrieren Fächer studiert haben, deren Art der Wirklichkeitsbeschreibung vergleichbar ist: Fabian Hinrichs landete zuerst bei Jura, Laurent Chétouane ist Ingenieur der Verfahrenstechnik im Fach Chemie.
Ihre Zusammenarbeit sei so gefährdet wie eine Liebesbeziehung und könne jederzeit enden, sagen beide. Laurent Chétouane weiß, dass er seine Inszenierungsmethode auch mit anderen Schauspielern erproben und weiterentwickeln muss. Auch wenn er, wie gerade bei "Faust II" in Weimar, dabei anfangs auf großen Widerstand stößt. Anders Fabian Hinrichs, der auch mit Regisseuren wie Schorsch Kamerun oder René Pollesch zusammenarbeitet und in diesem Jahr allein drei Kinofilme drehen wird. Noch ist ihre Zusammenarbeit aber nicht ausgeschöpft. "Solange wir uns überraschen", sagt Hinrichs, "ist das noch ganz viel möglich. Vielleicht landen wir irgendwann beim totalen Identifikationstheater."
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