FUNDSTÜCKE : Forcierte Rückgabe
Die Zettel hingen überall: „Lieber Friedrichshainbesucher! Habe Sonntag früh im Vollrausch mein Saxophon im Volkspark verloren! Bitte verzweifelt um Rückgabe!“ Dazu eine Handynummer und ein nicht näher bezifferter, aber zugesagter Finderlohn. Interessiert nahm ich eines der Gesuche mit, übertraf es doch die üblichen „Morgens halb zehn in Polen – Wo ist mein Knoppers?“-Fälle schon allein durch den charmanten Hinweis auf den „Vollrausch“.
Kurzzeitig verlegte ich Zettel wie Gedanken, doch einige Tage später traute ich mich meinen Ohren kaum, als im Radio verkündet wurde, dass jemand ein Saxofon gefunden habe und nun freundlicherweise über den RBB-Sender „Fritz“ den Besitzer suche.
Einerseits fasziniert von der scheinbar kleinbürgerlichen Freundlichkeit einer Weltstadt, andererseits augenblicklich misstrauisch, machte ich mich auf die Suche nach Beweisen für diese Geschichte, schließlich sind als Streetart versteckte Werbekampagnen der letzte Schrei. Konnte es wirklich sein, dass in einem Moloch wie Berlin ein gefundenes Saxofon das Gute im Menschen nach außen kehrt? Würde der Großteil nicht viel eher in den An- und Verkauf für Instrumente sprinten?
Ein Schrei riss mich aus meinen Gedanken. Mein Drahtesel kam am Rosenthaler Platz zum Stehen. „Ihr Portemonnaie!“, schrie jemand genau vor der Polizeiwache. Verwundert drehte ich um. Ein allem Anschein nach ziviler Beamter wedelte mit einem mir fremden Geldbeutel herum und zeigte auf seine Hosentasche. Als ich bei ihm ankam, drückte er mir das fremde Utensil in die Hand und verschwand augenblicklich in der Wache. Nun fuhr ich also mit zwei Portemonnaies durch den Kiez und überlegte, welchen Radiosender ich jetzt anrufen müsste, um die 80 Euro ihrem Besitzer zurückzuführen. JURI STERNBURG