piwik no script img

Archiv-Artikel

FRANZISKA SEYBOLDT LUSTOBJEKTE Die Magen-Darm-Mode

In den Klamotten der aktuellen Kollektionen sehe ich aus, als hätte ich Babykacke im Gesicht. Warum bloß?

Die Blätter am Ahornbaum in meinem Hinterhof werden langsam gelb. Manche sind sogar schon orange und es dauert nicht mehr lange, dann sind sie rot. Der Herbst ist da, und diesmal ist es der echte – nicht der Sommer, der sich als Herbst verkleidet hat. Und ich bin immer ein bisschen zu leicht angezogen. Es muss also geeignete Kleidung her, die nur eine Eigenschaft erfüllen soll: warm halten.

Na gut, das ist gelogen. Ich möchte außerdem einigermaßen aussehen. Das ist gar nicht so einfach. Schuld daran sind Leute wie Donatella und Giorgio. Nicht, dass ich mir deren modische Ergüsse leisten könnte. Aber sie geben nun mal vor, was in der nächsten Saison angesagt ist. Damit all die Hennesse und Mauritze wissen, ob sie Schlaghosen ins Sortiment nehmen sollen oder doch lieber Chinos.

Und das betrifft leider auch die Farben der Modekollektionen. Die passen sich chamäleongleich der Jahreszeit an: Im Frühling waren es Hellgelb und Rosa, im Sommer Blauweiß, im Winter wird es wieder Grau sein. Und im Herbst? Gewürzfarben. Senf, Safran, Curry, Zimt, Muskatnuss und Kurkuma. Das hört sich toll an, nach Tausendundeiner Nacht und Gebäck. Und es sind zweifellos Farben, in denen man aussieht wie ein wandelnder Blätterwald und fantastisch Leute im Park beschatten kann.

Doof ist nur, dass ich darin aussehe, als hätte ich eine Magen-Darm-Grippe. Oder Babykacke im Gesicht.

Meine Freundin Martha hat auch eins dieser kackgelben Kleider. Ihr sagt nie jemand, dass das scheiße aussieht. Ich schätze, das liegt daran, dass es ihr steht. Denn es gibt Personen, an denen ein gedecktes Ocker das Grün der Augen aufs Vorzüglichste zum Leuchten bringt. Bei einem Sommertyp wie mir ist das nicht der Fall. Für Anfänger: Man kann ganz einfach herausfinden, ob man ein kühler Farbtyp ist (Sommer, Winter) oder ein warmer (Frühling, Herbst). Einfach ein silbernes und ein goldenes Tuch unter das Gesicht halten – abwechselnd natürlich. Man sieht dann sofort, was gemeint ist. Beim Blick in den Spiegel hätte ich mich mit dem goldenen Tuch am liebsten erwürgt. Ich bin so was von Sommer, vielleicht sollte ich von Oktober bis April einfach durchschlafen.

Ein Luxusproblem? Mitnichten. Denn wenn ich mal wieder in einem Bekleidungsgeschäft stehe und wegen der Magen-Darm-Mode kurz vor dem Verzweifeln bin, muss ich wie üblich Schwarz kaufen. Deshalb: Schluss mit der Diskriminierung! Es gibt Abteilungen für Kinder, Schwangere und Dicke. Warum nicht auch für Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Wintertypen? Donatella und Giorgio müssen noch viel lernen.

Die Autorin ist Mitarbeiterin von taz.de Foto: privat