FELIX LEE POLITIK VON UNTEN : Blei statt Fressen
Konventionellen Jägern sind sie ein Dorn im Auge. Ökojäger wehren sich gegen Tierfütterungen im harten Winter. Und sie drücken auch ab, wenn das Wild noch kein Geweih hat. Naturschutz ist ihnen wichtiger
Für die Tiere war es zwar lieb gemeint. Doch der Natur schadet es nur. Angesichts des doch sehr kalten Winters hatten mehrere Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern erwogen, die „Notzeit“ auszurufen. Die verpflichtet Jagdpächter laut Landesjagdgesetz, Wildschweinen und Rehen zur Überwinterung zusätzliches Futter zur Verfügung zu stellen. Vor allem Hobby- und Trophäenjäger begrüßten diese Ankündigung. Doch zum Glück hat sich bereits vor geraumer Zeit unter den Jägern eine Gegenbewegung formiert: Ökojäger. Und die lehnen Fütterungen kategorisch ab.
Weil natürliche Feinde wie Wölfe, Luchse und Bären den süßen Rehkitzen hierzulande abhanden gekommen sind, gibt es nach Ansicht der Ökojäger in den deutschen Wäldern viel zu viel Wild. Und tatsächlich beklagen auch Förster, dass in manchen Gegenden bis zu 90 Prozent der Jungbestände von kostbaren Baumarten wie Esche, Ahorn, Buche und Tanne von Rehen und Hirschen weggefressen werden. Der gesamte Waldbestand befindet sich damit in Gefahr.
Ich bin vor einigen Jahren auf einer Ökojagd gewesen. Nichts entsprach dem, was ich mir bis dato unter einer Jagd vorgestellt hatte. Der grüne Filzrock fehlte ebenso wie der Gamsbart am Hut. Stattdessen trugen die Jäger orangefarbene Leuchtwesten – aus Sicherheitsgründen. Auf das traditionelle Hornblasen wurde genauso verzichtet wie auf den gesamten Trophäenkult mitsamt den Riten, auf die schon Reichsjägermeister Hermann Göring so abfuhr. Bei der Jagd selbst pirschte sich nicht jeder einzeln an das Wild heran. Zu Hunderten durchkämmten die Teilnehmer den gesamten Wald, um das Wild in eine bestimmte Ecke zu drängen, wo es dann von anderen Jägern erwartet und gnadenlos niedergestreckt wurde.
Den traditionellen Jägern und damit auch dem Deutschen Jagdverein mit seinen bundesweit mehr als 290.000 Mitgliedern sind die Ökojäger ein Dorn im Auge. Sie sehen die Aktivisten als „Brecher der Waidgerechtigkeit“, weil sie Wild auch dann umlegen, wenn es noch über kein ausgeprägtes Geweih verfügt. Die Ökojäger wiederum kritisieren, die Fütterung diene nur dem Eigennutz auf Trophäen fixierter Jäger, die zugleich verstaubte Riten aus dem Nationalsozialismus pflegen. Für Mutter Natur muss zuweilen eben auch mal geballert werden.
■ Der Autor ist Redakteur für soziale Bewegungen. Foto: W. Borrs