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FDP nach „Ja“ der SPD zur Groß-Lauscherei unter Druck

■ Liberale wollen aber bei ihrem „Nein“ bleiben

Bonn (dpa) – Nachdem die SPD auf ihrem Bundesparteitag mit knapper Mehrheit in Sachen Großer Lauschangriff auf die CDU-Linie eingeschwenkt ist, versucht die Union jetzt ihren Koalitionspartner FDP auf Kurs bringen. Die SPD signalisierte am Wochenende die Bereitschaft, mit der Union möglichst bald eine praktikable Regelung des elektronischen Abhörens in Wohnungen von Schwerstkriminellen zu finden.

Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) rechnet zwar mit einer breiten Mehrheit im Bundestag, hofft aber weiterhin, mit den Liberalen die für eine Änderung des Artikels 13 des Grundgesetzes notwendige Zweidrittelmehrheit zu erlangen. Kanther erwartet, bereits in der kommenden Woche im Gespräch mit der FDP „einen großen Schritt“ weiterzukommen. Führende FDP-Politiker warnten jedoch vor einer Sondersitzung des FDP-Präsidiums am gestrigen Abend zum Thema Lauschangriff CDU und CSU erneut, über sie hinweg eine Lösung dieses Problems erreichen zu wollen.

Während Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) offen dafür eintrat, notfalls ohne die FDP die Grundgesetzänderung zu beschließen, warnte Kanzleramtschef Friedrich Bohl (CDU) jedoch, die FDP beim Lauschangriff zu überstimmen. Der Bild-Zeitung (Montagsausgabe) sagte er: „Wechselnde Mehrheiten hat es bisher in der Koalition nicht gegeben, es wird sie auch künftig nicht geben.“ Bohl zeigte sich zuversichtlich, mit der FDP zu einer Einigung zu kommen.

Der frühere FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff lehnte es ab, die Position der Liberalen zu überdenken. Dem Kölner Express sagte Lamsdorff, er habe noch nie erlebt, daß die FDP die Meinung ändere, weil die SPD Beschlüsse fasse.

Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Irmgard Schwaetzer verlangte ebenso wie Fraktionschef Hermann Otto Solms, statt auf den Lauschangriff zu setzen das eigentliche Problem anzugehen: das Vollzugsdefizit bei Polizei und Justiz. Solms forderte die Freien Demokraten auf, sich angesichts des Superwahljahres 1994 von der Koalitionsdisziplin „etwas zu lösen“ und die eigene Position in den aktuell anstehenden politischen Fragen deutlicher zu machen.

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