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Archiv-Artikel

FAMILIENPOLITIK MUSS NICHT ALLE FRAUEN ERREICHEN Ungleich ist nicht ungerecht

Zu sozial, zu sehr im Dienst der Armen. Mit diesen Worten geißelt die neue Studie des Forschungsinstituts Empirica, wen sie als Mitschuldigen der deutschen Babyflaute ausgemacht hat: die Familienpolitik. Die allein erziehende Arbeitermutter erhält fast das ganze Geld, das sie fürs Kind aufwendet, vom Staat, das Akademikerpaar nur einen Bruchteil. „Ungerecht“ schelten das die Autoren – und irren.

Familienpolitik ist nicht dann gerecht, wenn allen schematisch die gleiche Summe zufließt. Vielmehr soll sie jene stützen, die eben nicht von der Wiege an mit Biokost, Pianostunde und Nachhilfelehrer auf Erfolg getrimmt werden. Ihr Ziel ist es nicht, die Reichen noch ein wenig reicher zu machen. Sondern die Kinder armer Eltern vor einem lebenslangem Randdasein zu bewahren.

Ohnehin ist es nicht die Angst vor Geldnot, die Akademiker in den Babyverzicht treibt. Statistiker wissen: Gerade studierte Eltern darben mitnichten am Existenzminimum. Schon dass sie – wie die Studie es vorrechnet – doppelt so viel in ihr Kind investieren wie eine Arbeiterfamilie, bedeutet ja auch: Sie haben das Geld dazu. Und sie wenden es lieber für die Zukunft der Kinder auf als für den fünften Perserteppich.

Dass sich die studierte Mittdreißigerin so schwer tut mit dem Votum für ein Kind, ist anderen Missständen geschuldet. Etwa einer Unternehmenskultur, die Babypause und Halbtagsjob nach wie vor als Karriere-Aus begreift. Und einer Gesellschaft, die Frauen die Hauptlast der Erziehung zumutet und einen Teilzeit arbeitenden Vater als Kuriosum belächelt. Je qualifizierter die Frau, desto drängender das Dilemma: So viel Geld, wie einer dauerhaft aus den Chefsesseln verbannten Akademikerin entgeht, kann kein Staat ihr überweisen.

Zu Recht denkt Bundesfamilienministerin Renate Schmidt darüber nach, wie der Staat Akademikerinnen gebärfreudiger stimmen könnte. Doch das dürfen nur Zusatzmaßnahmen sein. Der Blick auf jene Kinder, die in Deutschland so benachteiligt aufwachsen wie fast nirgends sonst in den modernen Industriestaaten – er muss der Kern der Familienpolitik bleiben. Alles andere wäre ungerecht. COSIMA SCHMITT