Embryonale Stammzellforschung : Punktsieg für die Forschung
Die Freiheit der Wissenschaft und die Heilsversprechungen der Stammzellforscher haben diese Woche im Europaparlament einen Punktsieg errungen. Geht es nach dem Willen des Europaparlaments, soll mit Beginn des nächsten Jahres die umstrittene Stammzellforschung auch mit finanziellen Mitteln aus dem EU-Haushalt unterstützt werden. Ein fataler Sieg – auch wenn das Votum nicht rechtsverbindlich ist und der Ministerrat, der Anfang Dezember über die Förderwürdigkeit der Stammzellforschung letztendlich entscheiden muss, nicht verpflichtet ist, die Position des Parlaments zu berücksichtigen. Aber das Signal ist unüberhörbar: Denn jetzt wissen die Vertreter im Ministerrat, das sie zumindest aus dem EU-Parlament keine ernst zu nehmende Gegenwehr mehr befürchten müssen, wenn sie einer Förderung der Embryonenforschung zustimmen.
Die Abstimmung im Parlament zeigt aber auch, dass die EU zerrissen ist in der Frage, wie weit der Embryonenschutz in Europa überhaupt gehen soll. Mit 300 zu 210 Stimmen votierten die Abgeordneten für eine umfassende Finanzierung der Stammzellforschung und damit auch für die Nutzung und Vernichtung von Embryonen. Eine klare Mehrheit, aber die Gruppe der Widersacher ist auch nicht gerade als klein zu bezeichnen.
Dazu kommt, dass viele der insgesamt 626 EU-Abgeordneten an der Abstimmung nicht teilgenommen haben. In ähnlich gelagerten Fragen muss also mit wechselnden Mehrheiten in Straßburg gerechnet werden.
Das Stimmverhältnis spiegelt aber auch wider, dass die Embryonenforschung in der EU in der Zukunft ein Streitpunkt bleiben wird, bei dem grundsätzlich nicht vereinbare Positionen aufeinander prallen werden. Auf der einen Seite Großbritannien, Finnland, Schweden, Griechenland und die Niederlande mit sehr freizügigen Regelungen, die eine Gewinnung von Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlauben. Und auf der anderen Seite die Länder Deutschland, Österreich, Dänemark und (noch) Frankreich, die lediglich einen Import von bereits bestehenden Stammzellen erlauben, oder Spanien, das die Herstellung der heiß begehrten Zellen nur unter sehr strengen Auflagen zulässt.
Wie wollen die EU-Kommission und das Parlament den Bürgern in diesen Staaten nur klar machen, dass ihre Steuergelder für Forschungsprojekte ausgegeben werden sollen, die in ihrem eigenen Land unter Androhung von Gefängnisstrafen verboten sind. WOLFGANG LÖHR