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■ Einpeitscher: Teil 1Hans-Peter Stihl

Demontiert den Sozialstaat Foto: AP

Immer wenn die Arbeitgeber gefragt sind, rauschen die Erklärungen von Hans-Peter Stihl über die Agenturen. Sie verbreiten helle Aufregung bei den Gewerkschaften, neuerdings auch bei der Bundesregierung. Dabei hatte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) keineswegs immer den Ruf, den Sozialstaat demontieren zu wollen.

Im Gegenteil, der 62jährige Stihl galt dem Spiegel bei seiner Wahl zum DIHT-Präsidenten 1988 noch als „leiser“ Verfechter einer sozialen Marktwirtschaft. Der Hersteller von Motorsägen hatte zuvor als Vorsitzender des Verbandes der Metallindustrie (VMI) beim baden- württembergischen Metall- Rahmentarifvertrag I mitgewirkt. Hier wurde immerhin zum erstenmal die betriebliche Weiterqualifizierung festgeschrieben. Im eigenen Unternehmen bietet Stihl seinen Beschäftigten seit 1985 Beteiligungen an.

Doch Stihls soziales Image ist längst dahin. In Interviews träumt der schwäbische Unternehmersohn schon mal vom Arbeitnehmer-Urlaub nach US-Muster (14 Tage) und fordert Billiglöhne und niedrige Grundrenten. Der Herr der Motorsensen und Trennschleifer weiß, wovon er spricht, wenn er die Angleichung sozialer Leistungen an internationale Standards fordert. 1973 wurde der Diplomingenieur alleiniger, persönlich haftender Gesellschafter des väterlichen Betriebes, der Andreas Stihl KG im schwäbischen Waiblingen. Durch geschickte internationale Expansionspolitik steigerte Stihl den Umsatz der Firmengruppe auf 1,3 Milliarden Mark bei 5.400 MitarbeiterInnen.

1973 schon hatte Stihl ein Werk in Brasilien errichtet, ein Jahr später folgte eine Produktionsstätte in den Vereinigten Staaten, dem größten Markt für Motorsägen. In Australien läßt Stihl Sägenteile montieren. Hans- Peter Stihl verfügt über sieben Werke in Deutschland, fünf Produktionsstätten im Ausland und eigene Vertriebsorganisationen in 17 Absatzländern.

Das Unternehmerdasein bestimmt das Bewußtsein: Stihls Rezeptur für die „Genesung“ des Wirtschaftsstandorts Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren kaum verändert, ist nur noch stärker gepfeffert und erweitert worden. Unlängst kritisierte der Unternehmersohn die Höhe der Sozialhilfe für größere Familien, forderte aber gleichzeitig, Billiglöhne durch die Sozialhilfe zu subventionieren. Es kommt eben immer auf den Standpunkt an. Barbara Dribbusch

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