: Eindringen in Wählerschichten
betr.: „Umfallen als Fortschritt“, taz vom 15. 2. 08
Dieser Beitrag von Franz Walter krankt, will mir scheinen, an dem, was er versucht, kritisch zu beschreiben: der Verewigung des Links-rechts-Schemas. Er bleibt in ebendiesem Schema hängen und wiederholt damit nur die Einordnungen, aus denen die „politischen Anführer“ nicht rauskommen (wollen). Und er ignoriert, dass die vielen WählerInnen nun mal nur die Wahl zwischen sehr viel weniger Parteien, ihren Programmen und Politiken und dem Nicht-Wählen haben. Stattdessen wähnt er irgendwo „neue, aktive und urteilsfähige Wählerschichten“, in die es einzudringen gälte, wären denn politische Parteien anders, als sie derzeit sind.
Da beschleicht mich der Gedanke, dass diese Politikwissenschaft womöglich auch nicht sehr viel weiter ist als die politischen Anführer, die sich selbst in solchen Schemata (oder sind’s schon Schemen?) häuslich niedergelassen haben und sich beharrlich weigern, zur Kenntnis zu nehmen, dass nicht mehr ihr Rechts- oder Linkssein gewählt oder nicht gewählt wird, sondern bestenfalls noch die eine oder andere betriebene oder avisierte Politik. Wenn die nicht hält, was sie versprochen hat, wird sie eben nicht mehr gewählt; jedenfalls von all denen nicht mehr, für die politische Wahlen nicht lediglich ein nostalgischer Akt sind. Das nennt sich politische Willensbildung des (Wahl-)Volkes, an der auch die Parteien mitwirken. Mehr tun die nicht und mehr sollen sie auch nicht, steht jedenfalls so in meinem Grundgesetz.
Was letztlich bedeutet, dass die Politikwissenschaft als politische Wissenschaft mehr an Analyse und Begriffsbildung leisten sollte, als uns zu beschreiben, dass und wie sie mit der Beschreibung von Schaubildern zur Wählerwanderung nicht mehr weiterkommt. – Ach ja, fest hätte ich’s vergessen: Das Eindringen in Wählerinnenschichten wird von diesen nicht mehr goutiert.
CHRISTINE RÖLKE-SOMMER, Berlin