Porträt: Rainer Stamm übernimmt die Leitung des Oldenburger Landesmuseums
: Ein unaufdringlicher Anpacker

und Paula Modersohn-Becker gehen getrennte Wege. In Oldenburg erwarten den Kunsthistoriker neue Gemälde. Foto: kawe

Der 1. Mai bringt neue Arbeit für Rainer Stamm: Der 42-Jährige tritt seinen Dienst als Direktor des Oldenburger Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte an. Seine Hauptqualifikation: In den vergangenen zehn Jahren hat Stamm den Kunstsammlungen der Bremer Böttcherstraße, bestehend aus Roselius-Haus und Paula Modersohn-Becker Museum, zu einem Qualitätssprung verholfen. Aus der kleinen, Touristen-orientierten Einrichtung wurde ein auch von Fachkollegen beachtetes Museum der klassischen Moderne.

Nicht, dass Stamm seine Hausheilige, Paula Modersohn-Becker, dabei vernachlässigt hätte. Stamm hat ihr Werk mit spannenden Kontextualisierungen gepflegt, ohne ihren Schatten zum alleinigen Maß der Museumsaktivitäten zu machen. Spätestens seit der außerordentlich erfolgreichen Geburtstags-Hommage vor zweieinhalb Jahren, als er Modersohn-Beckers Werke mit ägyptischen Mumienporträts in Beziehung setzte, galt Stamm als heißer Kandidat für ein deutlich größeres Haus.

Der gebürtige Hagener ist ein unaufdringlicher, zielstrebiger Museumsmann, der in hohem Tempo – bei großer Inhaltsdichte – durch die Ausstellungen führt. Stamm ist auch ein Anpacker: Zwar ließ er erst 63 Jahre nach Kriegsende untersuchen, welche Kunstwerke der Sammlung aus ehemals jüdischem Besitz stammen könnten. Das langte jedoch, um der erste in der Böttcherstraße zu sein, der dieses Thema anging. Die Entschädigung eines Erben für 1935 unter dubiosen Umständen erworbene Alabaster-Reliefs wurde bundesweit beachtet.

Der Mai also macht für Stamm vieles neu: Er lässt die dicht gedrängten Backsteinmassen der schnuckeligen Böttcherstraße hinter sich, um in Oldenburg einen gepflegten Gebäude-Dreier aus Schloss, Prinzenpalais und Augusteum zu bespielen. Und: Einer ursprünglich großherzoglichen Sammlung vorzustehen ist wohl ebenfalls angenehmer, als einen problematischen Patron wie Ludwig Roselius im Hintergrund zu wissen. Der Kunstmäzen und Kaffee Hag-Erfinder hatte die Böttcherstraße als „Versuch, deutsch zu denken“, errichten lassen.

Von Oldenburg aus pflegt man, so hat es zumindest Stamms Vorgänger Bernd Küster vorgemacht, die aus 15 Immobilien bestehende Kasseler „Museumslandschaft“ zu übernehmen. Zuzutrauen wäre Stamm auch dieser Karriere-Sprung.

HENNING BLEYL