Ein stiller Held, der für viel Aufruhr sorgte

Martin Luther Kings Freund und Kampfgefährte Ralph D.Abernathy, einer der Führer der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, ist tot  ■ N A C H R U F

Aus Washington Rolf Paasch

Ralph Abernathy, der engste Vertraute des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther Kings, ist am Dienstag im Alter von 64 Jahren in Atlanta gestorben. Die Freundschaft zwischen dem Reverend Ralph Abernathy und Martin Luther King begann in den 50er Jahren und endete am 4.April 1968 auf dem Balkon des Lorraine Motels in Memphis, als Abernathy den sterbenden Freund und Führer der US-Bürgerrechtsbewegung nach einem Attentat in seinen Armen hielt.

Abernathy hielt die Grabrede für King und wurde auf dessen Wunsch - und gegen den Willen einiger schwarzer Führer sein Nachfolger als Vorsitzender der „Southern Christian Leadership Conference“ (SCLC), der er bis 1977 vorstand. Geboren am 11.März 1926 in Linden, Alabama, als Enkel eines Sklaven und eines von 12 Kindern studierte er an der Universität von Montgomery Mathematik, ehe er in den 50er Jahren zusammen mit Martin Luther King damit begann, die entstehende Bürgerrechtsbewegung zu lenken. 1955 führten Abernathy und King den Busboykott von Montgomery an; 1957 gründeten sie die SCLC. Als sein engster Vertrauter reiste Abernathy 13 Jahre mit King im Kampf gegen die Rassentrennung durch Amerika. Doch immer blieb er im Schatten Kings.

In seiner Autobiographie beschwert sich Abernathy, daß andere Gehilfen Kings - zu denen er vermutlich auch Jesse Jackson zählte - ihn nur als „Anhängsel Martins“ ansahen, als einen Kumpel und Bodyguard, der auf die Diskussionen über die Strategien der Bürgerrechtsbewegung keine Rolle spielte. Nach der Veröffentlichung dieser Biographie mit dem Titel „And the Walls came tumbling down“ im Oktober 1989 mündete das bereits gespannte Verhältnis zwischen Abernathy und dem Rest der schwarzen Bürgerechtsbewegung in offene Feindseligkeit. Hatten schon Abernathys Streit mit der Witwe Dr.Kings 1978 und seine Unterstützung des Präsidentschaftskandidaten Ronald Reagan 1980 für böses Blut gesorgt, so wurde Abernathy nach seiner Veröffentlichung von Einzelheiten aus Kings außerehelichem Liebesleben in der Nacht vor dessen Ermordung endgültig zum „schwarzen Judas“.

Der Skandal über die Passage seiner Autobiographie - 25 Jahre nach Abschaffung der Rassentrennung - sagt ebensoviel über das anhaltend prekäre Verhältnis zwischen Schwarz und Weiß wie über die Figur des Ralph Abernathy aus: Hier der aufrechte, aber naive Kämpfer für Gleichberechtigung, der nur wahrheitsgetreu zu Papier brachte, was weiße King -Biographen schon publiziert hatten. Und dort eine schwarze Gemeinde, immer noch zu sehr in der gesellschaftichen Defensive, als daß sie mißliebige Wahrheiten bereits tolerieren könnte. 1985 wurde Abernathy auf einer Veranstaltung zu seinen Ehren als „stiller Held“ der Bürgerrechtsbewegung gelobt, vier Jahre später, nach Veröffentlichung seines aufrichtig geschriebenen Buches, wurde seine historische Bedeutung angezweifelt. Welche Rolle ihm die schwarze Geschichtsschreibung am Ende zuweisen wird, ist noch offen.