: Ein deutsches Blatt für die Deutschen in „Südwest“
„Eines der ekelerregendsten Presseerzeugnisse in deutscher Sprache“ nennt der SPD–Pressesprecher Günter Verheugen in seinem Buch „Apartheid“ die in Windhoek erscheinende Allgemeine Zeitung (AZ). Mit einer Auflage von knapp 7.000 erreicht sie beinahe jeden der rund 20.000 Deutschen und Deutschstämmigen in Namibia. Bei den meisten der Farmer, die sich noch heute in der Sprache wilhelminischer Kolonisten verständigen, besitzt die AZ das Meinungsmonopol. Die plumpe und reaktionäre politische Ausrichtung, das einfache Deutsch und die ausführliche Berichterstattung lokaler Ereignisse entsprechen dem Informationsbedürfnis der oft wie Einsiedler lebenden Farmer. Professor Gerhart Tötemeyer, Dekan der Windhoeker Akademie und dort Mitglied einer Gruppe, die sich für die Verwirklichung der UN–Resolution 435 (siehe Kasten auf dieser Seite) einsetzt und damit Objekt heftiger AZ–Attacken ist, beobachtet eine spürbare Furcht der meisten Deutschen Namibias vor der Unabhängigkeit „ihres“ Landes von Südafrika. Die AZ macht sich die Angst vor einer Macht– und Besitzverteilung zunutze. Sie unterstützt die von Pretoria installierte Interimsregierung und führt gleichzeitig heftige Kampagnen gegen die von der UNO als legitime Vertretung des namibischen Volkes anerkannte Befreiungsbewegung SWAPO und ihre Anhänger. In regelmäßigen Abständen nimmt sich AZ–Chefredakteur Hans Fedderson dabei den weißen Rechtsanwalt Anton Lubowski vor, der als deutschsprachiges SWAPO–Mitglied die Zeitung zu Angriffen geradezu herausfordert. Fedderson ist zwar auch für die Einführung des allgemeinen Wahlrechts für alle, zuvor müsse allerdings abgesichert werden, daß die SWAPO nach einem voraussichtlichen Wahlsieg kein Einparteiensystem installieren könne. „Warum“, so fragt er, „sollten die Wahlen denn nicht unter deutscher Kontrolle stattfinden?“ Welche Interessen tatsächlich hinter dem Blatt stehen, bleibt ein wohlgehütetes Geheimnis. Der Mitbegründer der ersten freien Universität in der Bundesrepublik in Herdecke, Dr. Lauenstein, erwarb Ende der siebziger Jahre den John Meinert Verlag, der sieben der acht in Windhoek erscheinenden Tages– oder Wochenzeitungen druckt. Informierte Kreise bezweifeln jedoch, daß er ohne finanzielle Hilfe Dritter auszukommen vermag. So ist es ein offenes Geheimnis, daß die CSU–nahe Hanns–Seidel–Stiftung ihn zumindest in der Vergangenheit kräftig bezuschußt hat. Thomas Ockers
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