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Archiv-Artikel

Ein Scheitern der WTO-Verhandlungen wäre gar nicht schlecht Europäische Sturheiten

Die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) im Dezember in Hongkong scheint gescheitert zu sein, bevor sie überhaupt begonnen hat. Die EU will keine weiteren Zugeständnisse über einen Abbau von Agrarsubventionen und Importzöllen machen. EU-Handelskommissar Peter Mandelson rechnet nicht mehr mit einer Einigung in Hongkong. Den Entwicklungsländern wäre damit ein großer Dienst erwiesen.

Auf den ersten Blick sind bei einem Scheitern die Entwicklungsländer die Verlierer. Die aktuelle Verhandlungsrunde läuft schließlich unter dem Titel „Entwicklungsrunde“. Endlich einmal sollte auch für die Entwicklungsländer etwas herausspringen: Sie sollten Zugang zu den bislang abgeschotteten Agrarmärkten der Industrieländer erhalten. Zugleich sollten diese nicht länger den Weltmarkt mit ihren subventionierten Billig-Agrargütern überschwemmen. Zwar hatte die EU ein paar Angebote in diese Richtung gemacht, doch hatten Entwicklungsländer und die USA diese als unzureichend abgelehnt.

Aber würde der Süden wirklich von einem neuen Abkommen profitieren? Daran besteht Zweifel. Den Industrieländern geht es trotz aller Entwicklungsrhetorik auch in dieser Verhandlungsrunde in erster Linie um ihre eigenen Interessen. Zu einem Entgegenkommen im Agrarbereich sind sie nur bereit, weil sie im Gegenzug besseren Zugang den Märkten der Entwicklungsländer durchsetzen wollen. Eine weitere Liberalisierung dieser Märkte aber stellt nach Einschätzung der meisten entwicklungspolitischen Organisationen eine Gefahr für Umwelt und Entwicklung in diesen Ländern dar.

Die Entwicklungsländer haben deshalb Recht, wenn sie ein Abkommen unter diesen Bedingungen ablehnen. Kein Abkommen ist allemal besser als eines, das ihrem Industrie- und Dienstleistungssektor mehr schadet, als es ihrem Landwirtschaftssektor an Nutzen bringt. Erst wenn die EU irgendwann einsieht, dass sie mit ihrer Sturheit gar nichts erreicht, ist die Zeit für ernsthafte Verhandlungen gekommen, die den Namen „Entwicklungsrunde“ auch verdienen. NICOLA LIEBERT