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Ein Minister erteilt sich Denkverbot

■ ... oder vom gescheiterten Versuch, ein zugesagtes Interview zur Zusammenlegung der RAF-Gefangenen auch zu erhalten

Berlin (taz) - Daß der baden-württembergische Justizminister Heinz Eyrich (CDU) den Vorstoß seines Hamburger Parteifreundes Christian Lochte zur Zusammenlegung der RAF-Gefangenen (s. Taz vom 18.08.) nicht überschwenglich begrüßen würde, konnte niemanden überraschen. Schließlich hatte sich Eyrich beim letzten Hungerstreik jener „der-Staat -läßt-sich-nicht-erpressen-Fraktion“ zugesellt, die Tote in den Gefängnissen für das kleinere Übel hält. Nun ließ er dem Hamburger Verfassungschutz-Chef über dpa mitteilen, er „finde keine Begründung“ für die Erwartung, die Zusammenlegung werde zum Zerfall der RAF beitragen.

Die taz wollte nachfragen. Erste Antwort von Eyrichs Sprecher Martin Schairer: Der Herr Minister weile im Urlaub, man könne das Interview aber schriftlich abwickeln. Gesagt, getan. Sieben vorformulierte Fragen erreichten das Stuttgarter Justizministerium in der vergangenen Woche. Stoßrichtung: Ist es nach zwanzig Jahren RAF nicht Zeit, über eine politische Lösung nachzudenken? Muß nicht wenigstens der Versuch unternommen werden, mit der Zusammenlegung einen neuen Weg zu gehen? Und schließlich angesichts der spätestens seit Herrhausen und Neusel erwiesenen Unmöglichkeit, Mordanschläge mit Hilfe eines aufgeblasenen Sicherheitsapparates zu verhindern: Ist Minister Eyrich bereit, für das Beharren auf seiner starren Haltung alle paar Monate eine prominente Persönlichkeit zu opfern?

Am vergangenen Donnerstag beteuerte Schairer telefonisch, die Fragen seien in Bearbeitung. Der Vorgang dauerte bis gestern, als die taz „mit freundlichen Grüßen“ folgendes Schreiben erreichte: Dr. Eyrich habe seine Argumente gegenüber dpa hinreichend dargelegt (hat er nicht s.o.), und ansonsten folgende Anmerkung zu den taz-Nachfragen:

„Die Fragen gehen alle von der durch nichts bewiesenen Prämisse aus, durch die Zusammenlegung würde der Kreis der Gewalt durchbrochen und die terroristischen Gefangenen zur Einsicht in das von Ihnen (großes I im Original, Red.) begangene Unrecht gebracht. Die eindeutigen Äußerungen der Gefangenen in der Vergangenheit und die neuesten Erkenntnisse über den Meinungsaustausch der Gefangenen im Rahmen ihres Kommunikationssystems zeigen deutlich, daß die Zusammenlegung nach wie vor zur Fortsetzung des gewaltsamen Kampfes und zur gewaltsamen Gewinnung der Freiheit dienen soll. Es ist geradezu zynisch, den menschenverachtenden Mord an Alfred Herrhausen als Argument für eine Zusammenlegung zu benutzen und damit den Anschein einer möglichen Rechtfertigung terroristischer Aktivitäten zu erwecken“.

Die Überlegungen Lochtes blieben ebenso unbeantwortet, wie die Nachfragen der taz. „Mehr“, stellte Eyrichs Sprecher Schairer bedauernd fest, „war aus dem Justizminister nicht herauszuholen“. - Unsere Prognose: Nach dem nächsten Anschlag wird er die Sprache wiederfinden.

Gerd Rosenkranz

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