Ein Büschel Haare schafft Gewissheit
Justizministerin Zypries will heimliche DNS-Vaterschaftstests bei privaten Laboren verbieten. Männerinitiativen protestieren: Tests können auch Misstrauen ausräumen und Beziehungen retten. Testtourismus ins europäische Ausland befürchtet
AUS BERLIN COSIMA SCHMITT
Die Zukunft wird hart für zweifelnde Väter. Noch kann ein Mann sein Vatersein per Wattebausch oder Babyzahnbürste diskret überprüfen. Ab 2006 aber möchte die Bundesregierung heimliche DNS-Tests verbieten. Nur wenn die Mutter zustimmt, dürfte dann der Vater Genproben ins Labor schicken – ein Plan, gegen den sich nun ein Proteststurm erhebt.
„Es wird einen Testtourismus geben wie früher den Abtreibungstourismus“, sagt Wolfgang Wenger von der Männerzentrale Majuze im bayerischen Rosenheim. Mit anderen Vätervertretern hat er das Internetforum www.pro-test.net initiiert – eine Plattform gegen das Testverbot. Vorsorglich haben sie Listen ins Netz gestellt: von Laboren in anderen EU-Ländern sowie in der Schweiz und den USA. „Man darf doch nicht Männer kriminalisieren, nur weil sie wissen wollen, ob sie der Vater sind“, findet Wenger. Noch bis Silvester sammelt er Unterschriften. 1.200 Menschen haben bislang den Aufruf für Testfreiheit unterzeichnet. Sobald das Gesetz vorliegt, will Wenger die Liste dem Bundestag übergeben. Als Eiferer in Sachen Vatertest möchte er sich aber nicht verstanden wissen. „Wild drauflostesten, nur weil das Kind die falsche Haarfarbe hat, das zerstört Familien.“
Der gemeinnützige „Väteraufbruch für Kinder“, ein Verein mit etwa 100 Ortsgruppen, ist da rigoroser. Er kämpft für den Test als Regelfall. „Wir finden es leichtsinnig, auf Sicherheit zu verzichten“, heißt es in einer Broschüre des Vereins. „Was gibt es Ehrlicheres als einen Vaterschaftstest – und was Verlogeneres als die Berufung auf Vertrauen?“ Dabei weiß so genau niemand, ob tatsächlich hunderttausende deutscher Babys fremden Betten entstammen. Einer US-Studie zufolge ist jedes zehnte bis zwanzigste Kind in Europa nicht von dem, der sich für den biologischen Vater hält. Ob dies aber auch für Deutschland gilt, ist nicht untersucht.
Dennoch nährt die Angst vor dem Kuckuckskind eine Boombranche. Testlabors werben in U-Bahnen, auf Litfaßsäulen und in Kneipenklos. Ihr Tenor: Nie war der Test so billig und einfach wie heute. Ein Schnuller oder ein Büschel Babyhaar genügen. Bin-ich-vater.de wirbt gar mit einer Weihnachtsaktion: Wer bis Silvester Proben einschickt, erfährt zum 215-Euro-Sonderpreis, ob er das richtige Kind beschenkt hat.
Schon jetzt gilt: Ein solcher privater Test ist zwar nicht verboten. Vor Gericht aber hat er keinen Bestand. Er kann dem Doch-nicht-Papa lediglich als Anhalt dienen, seinen Status per Richterspruch klären zu lassen. Wird die Frau dann überführt, muss sie massive Folgen fürchten. Das Strafgesetzbuch ahndet in seinem Paragraf 169 Vaterschaftsbetrug „mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe“. Ein Testverbot, argumentieren seine Kritiker, schütze die Gesetzesbrecherin.
Justizministerin Brigitte Zypries und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt konnte das nicht überzeugen. Die SPD-Politikerinnen verweisen auf die „Datenhoheit“ und das „Selbstbestimmungsrecht“ der Mütter, die das geplante Gesetz schütze.
Wenger aber meint noch einen weiteren Vorteil diskreter DNS-Tests zu erkennen: Er rette Beziehungen. „Die Frau erfährt ja nichts von dem Verdacht.“ Und das sei richtig. Denn nur bei einem von vier Tests erweist sich der Zögling als Kuckuckskind. Wenger ist überzeugt: „Das neue Gesetz ist nur was für Männer, denen ihre Ehe egal ist.“
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