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Ein Bildungsroman von Dubski und Preiß: 13. Kaffeetrinken im Osten

13. Kaffeetrinken im Osten

Auf den Einreisezettel schreibt Margot Ziel und ihren eigenen Namen und beides reicht sie dem jungen Zöllner. Der zögert nicht lange und findet: „Kein Problem.“

Sie fahren nach Süden. In Jüterborg wohnen Margots Tante und Onkel. Die Tante schloß sie energisch in die Arme, während der Onkel nur begrüßend etwas rief; er konnte sich nicht von seiner elektrischen Eisenbahn losreißen, die er irgendwann, an einem anderen Weihnachten einmal, seinem Sohn hatte schenken wollen und dann doch lieber behielt: „Wer seinen Kindern gibt das Brot und leidet selber nachher Not, den schlage man mit dieser Keule tot.“ So stand es am Stadttor, so hatte es sich in die Herzen der Einwohner Jüterborgs geschrieben.

Ein Kaffeetisch erwartete sie. Margots breitgesichtige Tante begann nach den üblichen Fragen - was, wer und wohin zu erzählen: „Früher - es ist schon lange her - liebte ein Jüterborger, wie man nur lieben kann, die Tochter des Burgvogtes sehr. Sie konnte ja niemals sein eigen sein, so wollt‘ er der Welt sich entzieh'n“, fügte sie seufzend hinzu. „War der Mensch unglücklich“, sagte sie, „is‘ er in die Natur gegangen und wollt‘ sich vergiften.“ Und dabei und zufällig habe er den schönsten Schnaps gebraut. Dabei aßen sie gefüllte Lebkuchenherzen, ein Mitbringsel Margots, eine westliche Errungenschaft, die wegen ihrer Füllung als „besser“ gelobt wurde - die hiesigen wären unerfüllt. Und sie tranken Kaffee und sie tranken den Schnaps aus der Geschichte. Früher einmal, so berichtete ihr Onkel, seien die Flaschen viereckig gewesen; jetzt sind sie rund. „Wohin ist es nur mit uns gekommen?“ und „Was soll nun aus uns werden?“ Am Rande schaute ein aufgeblasener Weihnachtsmann zu, den Perfect Love mitgebracht hatte.

Perfect Love, der ab und zu anfallende Geschichten mit einem „That's what I say“ kommentierte, schwitzte im Wohnzimmer und bekam so am eigenen Leib zu erfahren, was die Zeitungen meinten, wenn sie von einer größeren Wärme im Sozialismus sprachen. Im Fernseher sprach man sich für gegenseitige Achtung und gegen Anarchie aus: „Gewaltlosigkeit gilt für alle, besonders im Zeichen des Neubeginns“, sagte der Fernseher. Doch bevor man neu anfangen kann, muß man ordentlich essen, und ein ordentliches Essen macht müde. Also muß man, bevor man neu anfangen kann, erst mal schön schlafen.

Der Onkel ging also in den Keller, um seiner Eisenbahn gute Nacht zu wünschen, und die Tante führte ihre Gäste in unterschiedliche Kammern. Margot wickelte sich in viele Decken, während Perfect Love sich an seinen Margot -Vorstellungen wärmte. Fortsetzung folg

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