piwik no script img

Archiv-Artikel

EU-OSTSTAATEN: DEUTSCHE ARBEITSLOSIGKEIT FÖRDERT DEN EXPORT Polen, der heimliche Arbeitgeber

Polen ist Deutschlands bester Kunde. Das Statistische Bundesamt kann ständig neue Rekorde melden. Gestern wieder: Um 33,6 Prozent ist der deutsche Export ins Nachbarland gestiegen. Diese Zahl beeindruckt sowieso, ist aber noch bemerkenswerter, wenn sie im Zusammenhang gesehen wird. 2005 nahmen die deutschen Ausfuhren nach Polen auch schon drastisch zu – um 16,7 Prozent. Es ist der deutschen Wirtschaft also gelungen, extreme Steigerungsraten beim Export nochmals zu verdoppeln.

Für die Polen entwickelt sich der bilaterale Handel vergleichsweise weniger erfreulich. Sie konnten ihre Exporte nach Deutschland zwar ebenfalls deutlich steigern – aber nur um 22,8 Prozent. Diese Differenz kommt keineswegs überraschend. Schon immer haben die anderen westlichen EU-Länder vermutet, dass sie alle für die Osterweiterung zahlen dürfen, aber vor allem ein Staat profitiert: die Bundesrepublik. Nur die Deutschen selbst haben nie glauben wollen, dass sie sich einen riesigen Markt im Osten erobern. Stattdessen haben sie sich lustvoll in der Rolle des Opfers eingerichtet, das den Ansturm polnischer Fliesenleger und Schlachter ertragen muss. Jede Firmenschließung in Deutschland wird skandalisiert, wenn dafür ein neues Werk im Osten aufmacht. AEG in Nürnberg war so ein Beispiel.

Diese Wut ist schizophren: Es muss den Polen erlaubt sein, Geld zu verdienen – und sei es mit AEG- Waschmaschinen –, damit sie weiter massenhaft deutsche Waren importieren können. Trotzdem ist die große Angst vor der polnischen Arbeitskonkurrenz ernst zu nehmen. Denn sie artikuliert ein gravierendes politisches Problem: Die Lasten und Profite der deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen sind sehr ungleich verteilt. Die klassischen deutschen Exportbranchen sind die Nutznießer. Das schafft und sichert Jobs, bleibt aber unsichtbar, weil sich die Stellen über viele Firmen verteilen. Niedrigqualifizierte hingegen haben das Nachsehen, denn ihre Jobs werden nun vermehrt von Polen übernommen, die dann als Kunden deutscher Waren wieder sehr willkommen sind. Pointiert: Deutsche Arbeitslosigkeit ermöglicht Jobs im deutschen Export. ULRIKE HERRMANN