EU-Abschottung: An der Grenze gestrandet

Die Initiative Balkanroute lenkt den Blick auf die Situation von Flüchtenden auf dem Landweg. Ein Gastbeitrag.

Ein Flüchtender wärmt sich in einer stillgelegten Fabrik in Velika Kladusa an der bosnisch-kroatischen Grenze Bild: Jean-Christophe Bott/dpa

Ein Gastbeitrag der Initiative BALKANBRÜCKE

Die Balkanroute ist seit dem March of Hope 2015 als Weg von Menschen auf der Flucht von der Türkei über Griechenland nach Mitteleuropa bekannt. 2015 verlief die Hauptroute über Serbien und Ungarn nach Österreich. Später hat sich die Route durch die Schließung der Grenze zwischen Serbien und Ungarn so verschoben, dass sie nun nun hauptsächlich von Serbien oder Nordmazedonien über Bosnien, Kroatien und Slowenien nach Italien oder Österreich verläuft.

Nach der offiziellen „Schließung“ dieser Route häufen sich die Berichte über die Verletzung der Rechte Geflüchteter entlang der europäischen Außengrenzen. Es kommt zu illegalen und gewaltsamen Pushbacks aus Kroatien und Ungarn, zu Kettenabschiebungen von Italien über Slowenien und Kroatien bis nach Bosnien, sowie zu Kollektivausweisungen.

Diese Praktiken verletzen täglich europäisches und internationales Recht. Schutzsuchende werden dabei von der Polizei aufgegriffen, ihnen wird alles weggenommen, ihre Handys zerstört, sie werden verprügelt und oft mit Gewalt wieder zurück gebracht, ohne die Möglichkeit zu bekommen einen Asylantrag zu stellen. Zu den Methoden der Grenzpolizei gehören Scheinexekutionen, das Zufügen tiefer Schnittwunden und der Einsatz von Hunden,Teasern und Schusswaffen.

Immun vor Rechtssprechung

Das Narrativ der geschlossenen Grenzen nach 2015/2016 verdeckt die Tatsache, dass die Grenzen nie effektiv geschlossen waren. Vielmehr werden sie immer weiter aufgerüstet und das mit zunehmender Gewalt. Direkt verantwortlich dafür ist die Europäische Union einschließlich der deutschen Regierung. Teil der Aufrüstung ist zum Beispiel der massive Ausbau der europäischen Agentur für Küsten- und Grenzwache Frontex, die am schnellsten wachsende EU-Agentur. Mit einem eigenen Standing Corps von 10.000 Offizieren und eigenem Equipment wird sie mittlerweile auch in Nicht-EU-Staaten eingesetzt, in denen sie vor lokaler Rechtsprechung immun sind.

Gegen Frontex werden schwere Vorwürfe wegen der Verletzung von Menschenrechten erhoben. Es häufen sich Berichte über Frontex-Beteiligungen an illegalen Pushbacks, von denen kein einziger Fall weiter verfolgt worden ist. Die deutsche Bundesregierung leugnet jegliches Wissen um die Existenz von Pushbacks und Gewalt gegen Flüchtende an der kroatisch-bosnischen Grenze, obwohl das Verhalten von kroatischen Grenzbeamt*innen gegenüber flüchtenden Menschen von Amnesty International als Folter eingestuft wurde.

Stattdessen wird Kroatiens Rolle als Verteidiger der EU-Außengrenze von der Regierung gelobt und mit Sachspenden unterstützt, zuletzt im Januar mit Wärmebildkameras im Wert von 350.000 Euro.

Heuchlerische europäische Grundsätze

Viele Menschen, die in angrenzenden Ländern wie Bosnien-Herzegowina festsitzen, haben schon etliche Male versucht die Grenze nach Kroatien zu überqueren. In der Grenzgegend ist die Lage der Flüchtenden jedoch prekär: Die meist von der EU finanzierten Lager in Bosnien sind überfüllt. Viele Menschen hausen in leerstehenden Häusern oder im Wald.

Sie haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und sanitären Anlagen. Insofern sie nicht über Geld verfügen, haben sie auch keinen Zugang zu Lebensmitteln. Die europäischen Grundsätze der Freiheit, Menschenwürde und Achtung der Menschenrechte erscheinen angesichts der völligen Entrechtung flüchtender Menschen an den Außengrenzen Europas heuchlerisch.

Als Balkanbrücke wollen wir uns dafür einsetzen, die Abschottungspolitik der EU zu beenden, die Push-Backs und die Gewalt an den Grenzen der EU sofort einzustellen, legale und sichere Fluchtwege in die EU zu schaffen und Bewegungsfreiheit aller Menschen möglich zu machen. Die meisten von uns haben die humanitäre Katastrophe erlebt, weil sie auf der Balkanroute als Freiwillige in unterschiedlichen Projekten gearbeitet haben.

Ermutigende Erfahrungen

Zurück in Deutschland und Österreich wurde uns bewusst, dass es oft an Bewusstsein über die aktuelle Situation flüchtender Menschen auf der Balkanroute mangelt. Ermutigt von den Erfolgen der Seebrücke wollen wir unsere Kräfte unserer Plattform bündeln und den Fokus auf die Balkanroute ausweiten. Denn auch dort leben Menschen nach wie vor unter menschenunwürdigen Bedingungen, auch dort werden täglich die Rechte Geflüchteter verletzt, auch dort gibt die Europäische Union eine moralische Bankrotterklärung ab.

Die Balkanbrücke versteht sich als Plattform, auf der Entwicklungen und Menschenrechtsverletzungen auf der Balkanroute geteilt und in die breite Öffentlichkeit getragen werden. Auf unserer Website und auf Social Media-Kanälen teilen wir Berichte über die Balkanroute und über die humanitären Folgen der europäischen Abschottungspolitik. Wir lassen unsere Kritik zudem auch auf Demos und in Radiosendungen, zum Beispiel im Radio Bleiberecht, laut werden.

Unsere Arbeitsgruppe Balkanbrücke Supports sammelt zudem Spenden und unterstützt Projekte und NGOs vor Ort. Das Ziel ist die Vernetzung von Akteur*innen und die Mobilisierung der Zivilgesellschaft, um die Menschenrechtsverletzungen an unseren Außengrenzen in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, so den politischen Druck zu erhöhen und die unmenschliche europäische Abschottungspolitik zu beenden.

Ein Gastbeitrag der Intiative Balkanbrücke. Die Redaktion der taz macht sie die Aussagen der Autor:innen nicht notwendigerweise zu eigen. 

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