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Archiv-Artikel

ES HÄNGT AM AUSSENMINISTER, OB SEINE AUSSAGE DIE VISA-AFFÄRE BEENDET Restrisiko Fischer

Seit zwei Monaten schreiben es alle Kommentatoren: Wenn Joschka Fischer wieder in die Offensive kommen will, dann muss er vor dem Visa-Ausschuss aussagen. Zwei Monate lang stellte sich Fischer taub. Sein politisches Gewicht verringerte sich dabei nahezu täglich: Absturz in den Umfragen, Demontage durch die Botschafter, Kritik von den Wahlkämpfern in Nordrhein-Westfalen.

Jetzt endlich hat er die Wende vollzogen. Vier Wochen vor der Düsseldorfer Landtagswahl will sich Fischer nun dem Verhör der Abgeordneten unterziehen. Und siehe da: Zumindest für einen Tag passierte gestern exakt das, was alle vorausgesagt hatten. Die rot-grüne Koalition und mit ihr Joschka Fischer hielten das Heft des Handelns plötzlich wieder in der Hand. Die Opposition, die in ihrem Wahlkampfkonzept längst einen Logenplatz für den schweigsamen Außenminister reserviert hatte, zeigte sich sichtlich irritiert – und stimmte der Erfüllung ihrer eigenen Forderung erst nach peinlichen Stunden des Zögerns zu.

Das heißt nun aber nicht, dass die Affäre für Rot-Grün schon ausgestanden wäre. Schließlich kommt es noch darauf an, wie Fischer sich vor dem Ausschuss dann tatsächlich schlägt. Unfreiwillig offenbarte der Minister noch in dem Interview, mit dem er den gestrigen Kurswechsel in der Bild-Zeitung einleitete, wie berechtigt die Bedenken des eigenen Lagers in dieser Hinsicht waren. Wie schon sein erstes Statement zur Affäre, als Fischer die Schuld den Mitarbeitern zuschob, offenbarten auch die gestrigen Einlassungen vor allem eines: die Hybris des Ministers. „Niemand ist perfekt“: Für ein Zugeständnis kann diesen Satz nur jemand halten, der nach seiner Selbsteinschätzung alle Sterblichen himmelhoch überragt. In dem Zitat steckt die ganze Anmaßung, die Fischer erst in seine jetzigen Schwierigkeiten gebracht hat. Als hätte an die Unfehlbarkeit des Außenministers nach dem Spektakel der letzten Wochen und Monate noch irgendjemand ernsthaft geglaubt.

Für die Koalition liegen die Gefahren des Ausschusstermins am 25. April also nicht so sehr in der Frage, ob sie bis dahin wirklich alle Akten ausgewertet hat. Das Risiko liegt in der Person Joschka Fischers selbst. RALPH BOLLMANN