ERIC CHAUVISTRÉ ÜBER DEN FALL GUTTENBERG : Die Regeln der Debatte
Es ist das Recht und die Pflicht des Parlaments, die Regierung und jedes ihrer Mitglieder zu kontrollieren. Kommt der Verdacht auf, dass ein Minister die Unwahrheit gesagt hat, dann muss der Bundestag dem nachgehen. So auch im Fall Guttenberg. Doch die Konzentration auf den Minister vermittelt schon jetzt den Eindruck, es gehe allein um eine persönliche Fehlleistung. Zumindest bei Teilen der Opposition darf unterstellt werden, dass dies gewollt ist: Da hat jemand unseren schönen, guten Afghanistaneinsatz in Misskredit gebracht.
Entscheidend aber ist, ob der Luftangriff von Kundus tatsächlich so weit von der regulären Aufgabenbeschreibung für den Isaf-Einsatz der Bundeswehr entfernt war, wie jetzt suggeriert wird. Es ist eben längst nicht mehr so, dass die politischen Vorgaben der Bundeswehr für Afghanistan Gewaltanwendung nur bei unmittelbarer Gefahr erlauben. Wenn aber auch der präventive Schlag erlaubt ist, dann darf man sich über Luftangriffe wie den in Kundus nicht wundern. Und wenn die Regeln aus Berlin gar die Gewaltanwendung zur Durchsetzung des Gesamtauftrags gestatten, dann sollte sich niemand überrascht zeigen, dass dies als Lizenz zur Tötung von vermeintlichen oder tatsächlichen Aufständischen ausgelegt wird.
All dies wäre leicht zu klären. Das Parlament muss für die Veröffentlichung der relevanten Dokumente sorgen, deren Inhalt so geheim ohnehin nicht mehr ist. Denn nur wenn sich alle auf die für die Bundeswehr in Afghanistan geltenden Einsatzregeln und deren offizielle Auslegungen berufen können, kommt man der versprochenen Transparenz näher. Und nur dann kann eine ernsthafte Diskussion über den Einsatz geführt werden. Wer tatsächlich zur Aufklärung beitragen will, muss diese eigentlich wichtigen Fragen stellen – und kann zu Guttenberg getrost durch Talkshows und Bundeswehrcamps tingeln lassen.