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ENDE DER 35-STUNDEN-WOCHE IN FRANKREICH IST KLASSENKAMPF VON OBEN Die Konterreform

Die rechte Mehrheit im französischen Parlament hat der 35-Stunden-Woche am Mittwoch den Todesstoß versetzt. Die Konterreform entspricht en détail den Wünschen des Unternehmerverbands Medef. Wie seine europäischen Partnerverbände befindet er sich gegenwärtig in seiner stärksten antisozialen Offensive seit Kriegsende.

Die Unternehmer wollen die Lohnkosten verringern, ihre Beteiligung an den Sozialabgaben gen null senken und Tarifverträge und andere kollektive Abkommen auf individuelle Füße stellen. In Italien konnten sie schon die Lebensarbeitszeit verlängern, in Deutschland den Lohn senken und in Frankreich jetzt die Arbeitszeit verlängern.

Jedes Mal, wenn irgendwo in Europa eine weitere soziale Errungenschaft kippt, wird das in den Nachbarländern von den Unternehmern in die Debatte geworfen. Das könnte auch für Deutschland gelten: Die Arbeitszeitverkürzung ist schließlich auch in Frankreich gescheitert.

Tatsächlich hat die „Arbeitszeitverkürzung“ nie wirklich funktioniert. Die historische Verantwortung dafür kommt der rot-rosa-grünen Regierung in Paris zu. Anstelle einer kürzeren Wochenarbeitszeit für alle hat sie 1998 – als sie über eine stabile Mehrheit verfügte – (erstmals) eine Jahresarbeitszeit eingeführt und damit die erste Schleuse für die jetzt fortschreitende weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit geöffnet.

Bezahlen werden die Unternehmeroffensive zunächst die sozial Schwächsten. In Frankreich haben die Niedriglohnverdiener schon bitter gebüßt, als die 35-Stunden-Woche eingeführt wurde: Sie erlitten empfindliche Lohneinbußen und verloren zahlreiche soziale Errungenschaften. Jetzt werden sie die Ersten sein, die bereit sind, zusätzliche Überstunden zu leisten und Freizeitansprüche in Arbeit zu verwandeln. Wo der finanzielle Druck auf die Beschäftigten nicht ausreicht, werden die französischen Patrons mit der bereits bewährten Drohung nachhelfen: Entweder ihr arbeitet länger, oder wir verlagern das Unternehmen ins Ausland. Mit „Freiheit“ hat das nichts zu tun. Das ist Klassenkampf von oben. DOROTHEA HAHN

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