EIN OLDENBURGER LANDRAT HAT 130.000 EURO VON EINEM UNTERNEHMER BEKOMMEN UND BEHAUPTET, DAS SEI O. K. : Die Welt ist leider so
KATRIN SEDDIG
Der Oldenburger Landrat Frank Eger von der SPD steht seit Montag vor Gericht, weil er Geld von einem Immobilienunternehmer angenommen haben soll. 130.000 Euro soll er insgesamt und über die Jahre hinweg von dem Unternehmer bekommen haben, für die „Unterstützung“ bei Altenheimprojekten, wie der Unternehmer selbst aussagte. Altenheime müssen gebaut werden, weil die Alten mehr werden, und auch wir werden vielleicht irgendwann auf ein hübsches, modernes Zimmer in einem Heim scharf sein. Altenheime sind vielleicht gerade das große Ding, immobilienmäßig.
Auch Immobilienunternehmer müssen irgendwie in der Welt sein, wie es aussieht. Und so ein Bau ist immer ein Unternehmen, das ein Risiko in sich birgt. Aus der Sicht des Immobilienunternehmers ist es deshalb verständlich, wenn er sich mit einem Landrat anfreundet, damit sein unternehmerisches Risiko sich ein wenig minimiert.
Dem Oldenburger Landrat nun seinerseits kommt es vielleicht auch nicht so ungelegen, wenn ihm jemand 130.000 Euro schenkt, denn vermutlich findet er es gar nicht mal so viel, was er als Landrat in Oldenburg verdient.
Oldenburg ist nur eine mittelgroße und mittelwichtige Stadt und deshalb kann sie sich höchstbezahlte Landräte nicht leisten und muss mit dem Personal arbeiten, das die SPD zum Beispiel so da hat. So wäre es nur verständlich, dass der Oldenburger Landrat, wenn ihm ein Oldenburger Unternehmer 130.000 Euro anbietet, sagen würde: „Ach, kann man immer mal gebrauchen.“
Bis hierhin kann man diese Geschichte also ganz gut verstehen. Bis hierhin ist das eine einfache und klare Sache. Nun sagt aber der Herr Eger vor Gericht aus, er wäre ganz unschuldig und hätte sich überhaupt nicht bestechen lassen, er erklärt es frank und frei und auf eine unschuldige Weise, wie er zu dem Geld von dem Bauunternehmer gekommen ist, nämlich über seine Frau.
Seine Frau ist ja zwar mit ihm ehelich verbunden und möglicherweise teilen sie sich die Kosten ihres Haushaltes und verbringen gemeinsam den Urlaub, aber muss man deshalb annehmen, dass ihr Geld auch seines ist? Seine Frau und er, sagt er, hätten eine Firma gegründet, um Seniorenheime zu finanzieren und sie hätten dann aufgrund dieser Geschäfte eine Provision von dem Unternehmer bekommen, was leider nirgendwo schriftlich festgehalten worden wäre.
Aber was, 130.000 Euro, das kann man doch eben mal so, das steckt man dem anderen doch einfach ins Portemonnaie, oder? Wir sollen also annehmen, dass die Geschäfte dieser Firma, die seiner Frau und ihm gehört, mit ihm als Landrat und seinen Genehmigungen für Bauprojekte gar nichts zu tun haben. Wir sollen annehmen, dass seine Frau und er von einem Unternehmer Geld dafür bekommen haben, dass sie Finanzierungen vermittelten, für die zwar er als Landrat irgendwie Genehmigungen erteilen musste, dass aber er zum Beispiel, wenn er das richtig gefunden hätte, die jeweilige Genehmigung auch verweigert haben würde, obwohl er selbst oder seine Frau an einer Genehmigung verdient hätte, sozusagen.
Möglich ist das ja. Möglich ist vieles. Menschen können sehr integer sein. Sogar zum eigenen Nachteil. Und es ist ja vermutlich ein ganz eigenwilliger Zufall, das mit dem Geschäft und der Frau, dem Immobilienunternehmer und der behördlichen Zuständigkeit. Deshalb kann sich Herr Eger ganz offen den Fragen stellen und sagen, dass er unschuldig ist. Keine Vorteilnahme im Amt. Reines Gewissen.
Wir dürfen nicht darüber lachen. Die Welt geht so. Die große Welt in Berlin, Rom und Paris und auch die kleine Welt in Oldenburg. Ein Mensch, der was sein will und was sagen will, der will damit auch was anfangen. Der will nicht nur warten und danken, für das, was er bekommt, der weiß, was ihm zusteht.
Ich will selber auch gar nichts gesagt haben, der Prozess ist noch nicht zu Ende, vielleicht wird Herr Eger von allen Vorwürfen befreit, vielleicht ist es auch alles so in Ordnung. Katrin Seddig ist Schriftstellerin und lebt in Hamburg, ihr jüngstes Buch, „Eheroman“, erschien 2012 bei Rowohlt. Ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen.