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Durchkommen war unmöglich -betr.: "Die Maus auf Reisen", taz vom 26.2.96

Betr.: „Die Maus auf Reisen“, taz vom 26.2.

Es muß mich doch sehr verwundern: Fast eine ganze Seite füllt ein Bericht über das Bahnhofsfest zur Sendung mit der Maus. Ohne auch nur eine einzige kritische Bemerkung wird begeistert von dem Fest geschrieben. Sitzt der Autor womöglich selbst jeden Sonntag vor der Glotze und freut sich auf die Maus?

Ich auf jeden Fall bin am Sonntagnachmittag zufällig auf dieses Fest geraten. Eigentlich wollte ich mit meinem einjährigen Sohn nur mit dem Zug nach Achim fahren. Menschenmassen in der Bahnhofshalle machten ein Durchkommen zu den Gleisen vollkommen unmöglich. Ich frage mich, für wen dieses Konsumfest tatsächlich ein Vergnügen sein sollte, da man vor lauter Menschen sowieso nichts sehen konnte. Als sich dann noch eine Schlägerei vor meinen Augen abspielte (eine junge Frau drosch auf einen alten Mann ein), hatte ich nur noch das beklemmende Gefühl, mich in einer animalisch-brutalen Gesellschaft wiederzufinden, wo der Stärkere den Schwachen besiegt.

Als mein Sohn dann vor Schreck in dem Gewimmel laut schrie und es dann Menschen um uns herum scheißegal war, was mit uns passiert, habe ich die Kehrtwende angetreten und bin durch den Lloydtunnel über die Bürgerweide in letzter Minute zum Zug gelaufen. Kein Mensch kam freiwillig auf die Idee, mir beim Tragen des Kinderwagens die Treppen hinauf oder in den Zug hinein zu helfen. Fast bin ich versucht, das nächste Mal mit dem Auto nach Achim zu fahren. Da bin ich wenigstens nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Und Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr, die schockt mich nicht mehr so. Barbara Raub

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