„Du wirst als taz-Leser eingeordnet — von anderen“

■ Interview mit dem Geschäftsführer der Werbeagentur „Brasilhaus No. 8“ / Für „mehr Streitkultur“ in Bremen

Ingo Löbert ist geschäftsführender Gesellschafter der großen Bremer Werbeagentur „Brasilhaus No. 8“.

taz: Die Ansprüche der ZeitungsleserInnen an ihr Blatt werden konservativer, das ist mein Eindruck. Stimmt das?

Ingo Löbert: Nein. Ich glaube, daß wir uns in einem Brackwasser befinden, wo Sie nicht genau zwischen Süßwasser und Salzwasser unterscheiden können. Man weiß nicht genau, was richtig ist und was stimmt.

Stärkt das nicht das Bedürfnis, sich an etwas Kalkulierbares zu halten?

Ich glaube, daß das konservative Verhalten sich in den letzten Jahren aufgelöst hat. Die Menschen haben zunehmende Unlust an dem links-rechts-Verhalten. Die linke Seite ist dabei eine echte Perserbrücke, nach allen Seiten ausgefranst.

Das wäre für eine Zeitung wie der taz, die unter dem Vorurteil linken Schubladendenkens leidet, eine Chance.

Ja, aber das ist eine Frage der Kommunikation. Wie erfahren die Leute, daß die Zeitung anders ist? Vorurteile schleppt man ja gerne mit sich herum, weil sie ein Sicherheitsfaktor für den Menschen sind, und wenn die nicht irritiert werden, werden sie auch nicht überprüft.

Greifen Sie ab und zu zur taz?

Ja. Weil sie eine andere Facette bietet. Sie öffnet mir einen Blickwinkel, den ich sonst nicht geboten bekomme. Da ist eine andere Tonalität drin. Da werden Dinge weggelassen, die allgemein für wichig gehalten werden, andere Dinge, die sonst nicht beachtet werden, werden beleuchtet.

Was stört Sie an der taz?

Nach wie vor das ursprüngliche kampfblattartige. Ob das richtig ist, weiß ich nicht. Und dann stört mich: Wenn Du taz-Leser bist, wirst Du als taz-Leser eingeordnet — von anderen.

Wenn Sie einen Beratervertrag mit der taz hätten — was müßten wir tun, um die Auflage zu verdoppeln?

In dieser Stadt gibt es eine denkbar schlechte Streitkultur. Das fördert nicht die Kreativität, im Gegenteil, es führt zur Verlahmung. Die soziale Toleranz nimmt ab, man unterhält sich nur in Fluren miteinander. Die taz könnte mehr Beiträge zur politischen Kultur leisten.

Steigert man damit die Auflage?

Das weiß ich nicht. Auch die Bremer Tageszeitungs-AG macht keine Zeitung, die wirklich für diese Stadt geschrieben ist. Für mich ist das alles zuviel Lust am Bekritteln von Zuständen. Das ist auch eine journalistische Aufgabe, aber es darf nicht 100 Prozent ausmachen...

Also mehr positiv...

Ich bin ein Gegner von „positiv thinking“, aber man muß auch das zeigen, was gut ist, was vorzeigbar ist. Das macht den Leuten einfach Mut. In Bremen gehört es aber zum Stil, daß die Kritik größer ist als die konstuktiven Gedanken.

Kann ein Medienunternehmen in Bremen etwas werden, das den Bürgermeister nicht mit „Lieber Klaus“ anredet?

Ob der Klaus sich nun gerne mit Lieber Klaus anreden läßt, das weiß ich nicht. Nicht von jedem. Ich war überrascht, daß er diese Wahlkampfidee innerhalb einer Sekunde akzeptiert hat.

Kann ein Medienunternehmen etwas werden, das sich nicht in den Bremer Filz einbinden läßt?

Ohne Filz gibt es keine Kommune. Filz wärmt ja auch, nur wenn er dann verharscht, fängt er an zu kratzen. Dann muß man ihn waschen. Aber sicherlich, das Einbinden in Filz ist eine Form der Korruption, innerer Korruption. Ich glaube, damit können nur Geschäftemacher etwas werden...

Medienfirmen müssen auch ihr Geschäft machen.

Ja, ich könnte dennoch keine Empfehlung abgeben, sich einbinden zu lassen.

Fragen: Klaus Wolschner