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Drogen: Inkompetenz - betr.: "Wir sind doch keine Kontrollettis", taz vom 17.5.1996

„Wir sind doch keine Kontrollettis“, taz hh, 17.5.96

Die Aussage des Drogenbeauftragten Horst Bossong, er habe von ,ständig nörgelnden freien Trägern' die „Nase voll“, zeigt seine Überempfindlichkeit bei Kritik und seine Unfähigkeit, mit ihr umzugehen; sie entspricht jedoch zugleich seiner Unfähigkeit zur Selbstkritik.

Welche Illusionen hat Bossong? (...) Bossongs Unterstellungen, Drogenberatung beschränke sich darauf, „Problemfelder zu definieren, ohne sie abzuarbeiten“, und es gehe „den Drogeneinrichtungen doch nur darum, unkontrolliert zu bleiben“, sind falsch, unverschämt und verlogen: Seit Jahren müssen alle Drogeneinrichtungen – wie andere Zuwendungsempfänger auch – der Behörde des Drogenbeauftragten ihre Konzepte, Tätigkeitsberichte und Arbeitsergebnisse zur Prüfung vorlegen – wieso ist dann die Drogenarbeit angeblich nicht transparent, und wieso weiß man angeblich nicht, wie sinnvoll die Haushaltsmittel ausgegeben werden? Vielleicht sollten die SPD-Abgeordneten zunächst einmal ihre Aufgabe der Kontrolle der Verwaltung – hier der BAGS und ihres Referates Drogen und Sucht – besser wahrnehmen und die dort voliegenden Informationen abfordern.

(...) Zu danken ist Bossong für seine klare Aussage zur Datenbank, die doch angeblich nur der Basisdokumentation dienen soll, daß „die Verwaltung ein Recht auf Leistungs- nachweis“ hätte – offensichtlich über alle ihr bisher vorliegenden Belege hinaus. Bemerkenswert und bezeichnend ist die Aussage des Datenschutzbeauftragten, daß das Prüfungsverfahren zu der geplanten Dokumentation – im Gegensatz zur Erklärung des Drogenbeauftragten wenige Zeilen zuvor – „noch nicht abgeschlossen“ ist. Verschwiegen wird leider, daß sich Träger auch deswegen weigern, Papiere zu unterschreiben, weil ihnen diese – entgegen der Zusage des Drogenbeauftragten – nicht rechtzeitig vor der Sitzung in der Behörde vorliegen.

Seit langem haben fast alle Einrichtungen und MitarbeiterInnen im Hamburger Drogenbereich von diesem sog. „Drogenbeauftragten“ die Nase mehr als gestrichen voll. (...) Vor knapp einem Jahr haben die Hamburger Drogenhilfeträger die Senatorin der BAGS aufgefordert, an Stelle von Bossong einen „kompetenten Gesprächspartner“ zu benennen, der zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit willens und in der Lage ist – diese bisher leider nicht erfüllte Forderung ist heute dringender und berechtigter denn je!

Monika Gerlach,

Mitarbeiterin im Drogenbereich

Rainer Schmidt trifft den Punkt! Statt sich für die Junkies einzusetzen, will Bossong sie überwachen und ihre HelferInnen gleich mit. Im Vorfeld hat Senatorin Fischer-Menzel verbal der Drogenhilfe die Mittel gekürzt. Wer sich, wie Bossong in der Verantwortung eines Drogenbeauftragten für eine Klientel einsetzen sollte, die auf der Leiter der Sozialschwächsten über 25 Jahre bis heute ganz unten stand, der sollte sich ab und zu mit auf die unterste Stufe stellen, dann weiß er wieder, wo's lang gehen muß! Hätte Bossong tiefergehende praktische Kenntisse oder würde er besser auf die hören, die sie haben, dann wüßte er, wie abwegig es ist, die Arbeit von TherapeutInnen und DrogenhelferInnen in Leistung messen zu wollen. (...) Hier darf nicht Lenin das Wort angeben – Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – denn wer hier kontrolliert, verliert das Vertrauen derer, denen er ja eigentlich helfen sollte aus dem Elend rauszukommen.

Ursula Doris Warmbrunner, INI-Mitglied, Freiraum-Mitglied

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